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Andrea Abt | Spread Your Wings and Fly

Ein Gespräch mit Andrea Abt über den Gewinn der DMSt-Frauenwertung, spannende Flüge im Ausland und Frauen im Segelflug.
Andrea Abt | Spread Your Wings and Fly

Liest man den Artikel "Entwicklung Frauen im Luftsport und Segelflug", welcher auf einer Studie der dänischen Anthropologin und Segelfliegerin Perle Møhl basiert, bleiben erschreckende Fakten hängen:

  • Vorurteile, Klischees und fehlendes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Frauen spielen weiterhin eine zentrale Rolle im Segelflug
  • Den Vereinen entgeht dadurch rund 50 % der Bevölkerung bei ihrer Mitgliederwerbung

Umso beeindruckender ist es, wenn es Segelfliegerinnen schaffen ihre Flügel vollends zu entfalten und im männerdominierten Sport vorne mit mischen. Kürzlich interviewte Matthias Arnold mit Eva Senne eine junge Pilotin, die momentan extreme Fortschritte verzeichnen kann.

Schön an unserem Sport ist, dass man unabhängig vom Alter, selbst entscheiden kann, wann man durchstarten möchte. Für Andrea Abt (63 Jahre alt)standen eine lange Zeit andere Dinge im Mittelpunkt. Doch der jüngste Erfolg mit dem 1. Platz in der DMSt Frauenwertung und Platz 13 in der Wertung der Offenen Klasse zeigt Andrea Abt, dass sie mit dem Segelflug noch nicht fertig ist. Wir haben nachgefragt.

Wie und wann bist du zur Segelfliegerei gekommen?

Mein erster Schulstart war 1986 in Dierdorf-Wienau, kurz nach meinem Arbeitsbeginn beim Aerokurier. Da war ich eher zufällig gelandet, weil es in meinem angestrebten Beruf als Gymnasiallehrerin für absehbare Zeit keine offenen Stellen gab und mir die Wartezeit zu lang gewesen wäre. Aus meiner Arbeit dort entstand das Interesse an der Luftfahrt allgemein und am Segelfliegen im Speziellen, das mich seitdem nicht mehr losgelassen hat.

Schaut man sich die jüngsten Flüge an, fliegst du sehr ambitioniert. War Streckenflug schon von Anfang an Thema für dich?

Ja, ich bin von Anfang an Strecke geflogen, der erste richtige Streckenflug war 1989 ein 385er Dreieck mit Gerhard Marzinzik in einer ASK 21, und ein paar Monate später dann der Zielstrecken-Diamant mit unserer ASW 20 von Fuentemilanos aus. Außer in den Bergen bin ich nie nur so um den Platz geflogen, habe mich aber im Grunde danach über ganz viele Jahre nicht mehr signifikant verbessert.

Was glaubst du, woran das gelegen hat?

Ich hatte zwar seit 1995 ein eigenes Flugzeug, aber der Beruf hatte eine deutlich höhere Priorität und mein Partner war Motorflieger mit sehr viel Verständnis, ist aber kein Segelflieger. Ich bin oft umgezogen, hatte wenig Zeit, bin maximal 50 Stunden im Jahr geflogen, meistens im Urlaub und immer allein. Allein, weil ich mich gar nicht vergleichen wollte.

Wettbewerbe waren mir erstens zu zeitintensiv und zweitens zu stressig. Im Job, inzwischen in einem großen Industrieunternehmen, hatte ich für meinen Geschmack schon genug Wettbewerb. So kann man aber natürlich keine Fortschritte machen.

Irgendwann hast du dich dann doch verglichen und bist sogar Wettbewerbe geflogen?

Ja, nachdem ich beruflich nicht mehr so im Wettbewerb stand und vor allem sehr viel mehr Zeit hatte, bin ich in Bitterwasser, aber auch in Fayence, mit sehr guten (Wettbewerbs-) Piloten wie Reinhard Schramme, Wolfgang Janowitsch, Arndt Hovestadt, Tobi Welsch, Baptiste Innocent, Simon Schröder, Bernd Goretzki geflogen. Von jedem einzelnen habe ich viel gelernt. Zur weiteren Entwicklung hat mir dann der eine oder andere empfohlen, Wettbewerbe zu fliegen, was ich dann auch für eine gewisse Zeit getan habe.

Mittlerweile bist du fliegerisch in Königsdorf zu Hause, das war nicht immer so. Wie wichtig ist für dich das fliegerische Umfeld, um derartige Flüge zu absolvieren?

Königsdorf

Essenziell. Ich bin 2018 nach Königsdorf gegangen, weil wir nach München gezogen sind, und hatte das Glück, dort einen Platz für mein Flugzeug und mich zu bekommen. Ein fliegerisches Umfeld wie Königsdorf ist einfach großartig, in jeder Hinsicht. Meine Bergfliegerei heute wäre ohne Mathias Schunk, Armin Behrendt, Oli Wolfinger, Thomas Wolf, Markus Eggl, Jochen Pauls und die vielen anderen Fliegerkameraden dort nicht denkbar. Sie haben mich buchstäblich an die Hand genommen und ihr Wissen vermittelt. Die Leistungsdichte in Königsdorf ist unglaublich, und über die Jahre haben sie jede mögliche Streckenführung perfekt ausgeklügelt, sodass man davon sehr profitieren kann. Der Platz liegt landschaftlich super schön, und bei fliegbarem Wetter wird immer geflogen, an Bundesliga-Wochenenden sowieso.

Ich persönlich habe kürzlich festgestellt, dass der Segelflug zu viel Raum in meinem Leben eingenommen hat. Wie viel Zeit sollte man deiner Meinung nach investieren, damit Segelflug dem Aufwand gerecht wird?

Mir gibt Segelfliegen heute sehr viel Energie. Das Erlebnis, vor allem in den Bergen, aber auch das Ergebnis nach einem besonders gelungenen, großen Flug elektrisiert mich geradezu. Ich muss aber vorher halbwegs entspannt ins Flugzeug gestiegen sein, und dafür brauche ich einfach Übung.

Früher bin ich so selten geflogen, dass jeder Flug erstmal Kraft gekostet hat. Das hat rückwirkend oft in Summe viel mehr Energie verbraucht, als am Ende zurückkam. Ich glaube tatsächlich, dass man regelmäßig viel fliegen sollte, damit sich der ganze Aufwand auch lohnt. Dann holt man für sich am meisten raus.

Nur auffressen lassen darf man sich nicht. Wenn man ständig mit dem Segelfliegen beschäftigt ist und auch noch Tag für Tag auf das richtige Wetter wartet, ohne etwas anderes als sinnvolle Alternative anzusehen, kann es irgendwann sehr einsam um einen werden.

Wenn du das Flugbuch aufschlägst, welcher Flug ist dir am besten im Gedächtnis geblieben? Das kürzlich geflogene 1000 km Viereck in den Alpen, oder doch ein anderer Flug?

Erlebnis korreliert nicht unbedingt mit Ergebnis.

In inzwischen fast 4000 Flugstunden habe ich viele tolle Flüge gemacht. Das erste Mal von Königsdorf zum Matterhorn mit Oli Wolfinger und Matthias Sauter ist noch lebendig, genauso wie der Flug fürs 1000-km-Diplom von Bitterwasser aus, der fast an einem Sandsturm gescheitert wäre.

Andrea in Bitterwasser

Der Flug zum Furka-Pass von Fayence aus in diesem Jahr war ein Highlight, aber auch vor fast 20 Jahren die 5000m-Startüberhöhung an einer Big-Mac-Lenti über dem Comer See. Und auch ein nicht ganz vollendeter Flug um München unter einer großen Abschirmung kommt mir in den Sinn oder unser Wandersegelflug nach Pirna auf der Flucht vor Corona-Beschränkungen, der zunächst auf einem großen Feld südlich von Suhl endete. Selbst an einen Flug von vor über 30 Jahren in der Welle vom Mount Cook erinnere ich mich noch, als ich noch gar keinen Schein hatte und ganz verzaubert war vom Blick auf die neuseeländischen Alpen auf der einen und die türkisfarbenen Seen auf der anderen Seite. Erlebnis korreliert nicht unbedingt mit Ergebnis.

Du versuchst stets, deinen fliegerischen Horizont zu erweitern. Welche Ziele hast du für die Zukunft nach der erfolgreichen Saison 2023?

Mehr analysieren, jetzt auch mit WeGlide, und damit weiter verbessern, schneller werden, mehr große thermische Flüge in den Bergen, und vielleicht wage ich mich auch mal an den Streckenflug in der Welle.

Segelfliegen ist ein Sport, in dem Frau und Mann gleich auf sind. Trotzdem sind Segelfliegerinnen rar gesät. Hast du eine Vermutung, warum dem so ist?

Laut einer kürzlich gemachten Studie sind es vor allem die Randbedingungen, die den Sport für Frauen noch weniger attraktiv macht als für Männer. Man braucht halt ganz viel Zeit, wenn man es mit Vereinsflugzeugen betreibt, oder das Geld für ein eigenes Flugzeug und auch viel Zeit, Durchsetzungswillen und -fähigkeit.

Zeit nehmen sich vor allem Frauen mit Familie eher weniger für eigene Aktivitäten, und das Geld reicht auch oft einfach nicht.

Wenn man dann als Frau in einem Doppelsitzer geflogen ist, geht jeder davon aus, dass man nicht für die Leistung verantwortlich ist, egal welcher Mann sonst noch im Cockpit war. Und Wettbewerbe oder Rekorde sind dann auch oft ‚nur‘ Frauen-Leistungen und werden zuweilen süffisant hinter vorgehaltener Hand belächelt.

Es ist schon so: Als Segelfliegerin braucht es schon einen ganz klaren eigenen Kompass, und der Wunsch zu fliegen muss stark sein. Man sollte das Gerede einfach ausblenden.

Spornt es Dich an, in einem männerdominierten Sport mitzumischen oder ist es die pure Faszination am Fliegen?

Grundsätzlich macht es mir Spaß, in diesem Sport mitzumischen. Wenn mehr Frauen mitmachen würden, wäre es angenehmer.

Nehmen wir an, du ständest am Anfang deiner Segelflugkarriere, was würdest du anders machen?

Heute würde ich jede Gelegenheit ergreifen, um von Besseren zu lernen und viel mehr mit anderen fliegen. Das geht im Doppelsitzer, aber auch im Teamflug mit Einsitzern. Die Bundesliga-Fliegerei bietet dabei eine ideale Möglichkeit, sich zwar zu vergleichen, aber mit einem gemeinsamen Ziel, nämlich möglichst viele Punkte für den Verein zu erreichen. Das war es, was mich in den letzten Jahren am meisten vorangebracht hat.

Hast du Tipps für Pilotinnen, die am Anfang ihrer Segelflugkarriere stehen?

Lernt so viel wie möglich von anderen. Versucht immer, mit Besseren zu fliegen, aber lasst euch nicht davon entmutigen, wenn euch nicht gleich alles so gelingt. Seid stolz auf eure Leistungen, dokumentiert sie, redet sie nicht klein beziehungsweise lasst sie nicht kleinreden. Lasst euch einfach nicht beirren und geht euren Weg - Spread Your Wings and Fly.


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