DMJ 2023 | Im Cockpit mit den Gewinnern
Nach zehn Wertungstagen in verschiedenen Wetterlagen konnten sich Gerrit Neugebauer in der Clubklasse und Eric Schneider in der Standardklasse gegen ein starkes Teilnehmerfeld durchsetzen und tragen nun zurecht den Meistertitel. Im folgenden Interview stellen sich die beiden vor und berichten von ihren Erfahrungen, den Herausforderungen und Erkenntnissen aus dem Wettbewerb.
Wollt ihr parallel zum Interview nochmals einen Blick in die Wertung werfen? Dann klickt auf den folgenden Button:
Hallo Eric, Hallo Gerrit! Schön, dass ihr uns an eurem Wettbewerb teilhaben lasst. Natürlich ist der Sieg bei einer Meisterschaft das Ergebnis einer jahrelangen Vorbereitung. Erzählt uns doch kurz, wie ihr zum Segelfliegen gekommen seid, damit wir euch ein bisschen besser kennen lernen können. Wenn man sich eure Flugbücher anschaut sieht man außerdem, dass ihr viel Zeit am Flugplatz und in der Luft verbringt. Was macht ihr beruflich, dass ihr so aktiv sein könnt?
Gerrit: Ich war von klein auf von der Fliegerei begeistert. Die Besuche auf dem Oldtimertreffen auf der Hahnweide in frühen Jahren haben bestimmt auch dazu beigetragen, dass ich irgendwann einmal selbst fliegen wollte. Das hat auch mein Opa mitbekommen, der unweit des Flugplatz Schwann-Conweiler wohnt, sodass er mir dort einen Gastflug spendierte. Auch wenn es nur eine kleine Platzrunde war, war es jetzt vollkommen um mich geschehen und ich wollte so bald wie möglich selbst lernen ein Segelflugzeug zu fliegen. Doch leider musste ich noch drei oder vier Jahre warten, bis ich alt genug war. Pünktlich zu meinem 14. Geburtstag ging es dann aber los und ich wurde Mitglied im Aero-Club Esslingen und begann meine Ausbildung. Seither entfachte sich die Begeisterung und Leidenschaft für den Streckensegelflug mehr und mehr…
Auch beruflich bin ich hin und wieder in der Luft unterwegs. Wenn auch nur mit Drohnen, welche ich als Vermessungsingenieur nutze, um Pläne und Karten von allerhand Flächen, Dingen und Objekten zu erstellen. Daneben entstehen bei mir auch 3D-Modelle unterschiedlichster Gebäude an meinem Bildschirm.
Zugutekommt mir, dass meine Vorgesetzten durchaus von der Segelfliegerei angetan sind und mir gespannt zuhören, wenn ich etwas zu erzählen habe. Das hilft ungemein, sollte ich einmal unter der Woche spontan fliegen wollen. Wobei das eigentlich eher der Seltenheit angehört. Mein Urlaub hingegen widme ich jedoch fast komplett dem Segelflug.
"Es gab damals eine Gruppe von 3-4 Piloten bei uns am Platz, die für einen 300km Flug wirklich eine Art Party geschmissen haben. Für mich war es immer der Wunsch auch in dieser Gruppe mitmischen zu können"
Eric: Das Fliegen wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Ich denke es gibt von meiner Kindheit mehr Bilder im Cockpit als auf dem Kinderspielplatz. Mein Vater war früher schon einmal Vorsitzender und Fluglehrer in der FSG Hammelburg und somit hab ich meine ganze Jugend am Flugplatz verbracht. Das erste Mal im Segelflugzeug saß ich allerdings erst mit 11 Jahren. Zu dieser Zeit gab es eine Gruppe von 3-4 Piloten bei uns am Platz, die für einen 300km Flug wirklich eine Art Party geschmissen haben. Für mich war es immer der Wunsch auch in dieser Gruppe mitmischen zu können. Im Alter von 13 Jahren habe ich dann mit der Schulung angefangen und mir mit meiner älteren Schwester eine Ka6 Cr gekauft. Leider ist in dieser Zeit die Truppe an Streckenfliegern zerfallen, aber der Wille sich auch als Flugschüler aus dem Gleitbereich des Platzes zu mogeln, war riesig!
Nach meinem Abitur war ich im Jahr 2020 Sportsoldat. Danach habe ich mit einer Ausbildung zum Metallbauer begonnen, die ich aufgrund von Verkürzungen im Februar 2023 abschließen konnte, seitdem warte ich auf mein Studienbeginn im Oktober ;)
Nach eurem Sieg seid ihr beide im Anschluss direkt wieder auf Strecke gegangen und konntet jeweils über 1000 Kilometer zurück legen. Es scheint als seid ihr auch nach dem langen Wettbewerb noch nicht satt geflogen gewesen. Motiviert ging es direkt weiter bei der Kilometerjagt. Was fasziniert euch neben dem Wettbewerbsfliegen den Streckenflug so ehrgeizig zu betreiben?
Gerrit: Es ist das große Ganze. Zudem macht es macht mir einfach unheimlich Spaß zu fliegen – je länger, desto besser. Das Zusammenspiel aus Technik, die Kraft der Natur, alle Entscheidungen (fast) frei treffen und dabei die Welt von oben betrachten zu können fasziniert mich ungemein. Aber auch der Nervenkitzel bei einem knappen Endanflug hat seinen ganz eigenen Charm.
Nichtsdestotrotz gilt bei mir natürlich das Streben getreu dem Motto: Höher, schneller, weiter.
Von meinem Heimatflugplatz Esslingen-Jägerhaus ist das jedoch nicht immer so einfach, wie auf der anderen Seite der Kontrollzone direkt auf der Alb, da einem morgens sowie abends Gut und Gerne eine Stunde weniger zu Verfügung stehen. Das zwingt einen immerhin zu einer etwas kreativeren Streckenführung und man fliegt nicht immer seine Standardroute. Zudem hat man eine gute Ausrede, wenn die Kollegen auf der Alb wieder 70km weiter geflogen sind😉.
Eric: Im Gegensatz zum Wettbewerb finde ich es klasse das ganze Potential eines Tages auszunutzen. Es ist erstaunlich wie früh die Thermik manchmal einsetzt und wie lange sie anhält. Die 7-8 Stunden dazwischen sind mit dem richtigen Risiko-Management eigentlich relativ einfach zu meistern. Auch kleine Fehler fallen hier nicht so schwer ins Gewicht, wie bei einem 3-4h Wettbewerbsflug. Doch die wahre Größe des Fluges bestimmen die ersten und die letzten Stunden, welche mit Abstand auch die spannendsten sind. Hier kann der kleinste Fehler sehr schnell zur Außenlandung führen. Genau dieser Nervenkitzel motiviert mich jedes Mal aufs Neue.
Die Wetterbedingung während es Wettbewerbs führten dazu, dass ihr viele Wertungstage hattet. Wie haltet ihr auch nach sieben aufeinanderfolgenden Wertungstagen die Konzentration hoch?
Gerrit: Das A und O ist für mich das Stresslevel so niedrig wie möglich zu halten. Das gilt in der Luft, wie auch am Boden. Den Hauptfaktor sehe ich dabei im Tiefkommen. Wem macht es schon Spaß sich ständig wieder aus 300m AGL auszugraben? Noch dabei bei Blauthermik und viel Wind? Ich denke, das ist mir durchaus sehr gut gelungen – über alle Wettbewerbsflüge war ich nur zwei Mal auf 400m über Grund. Ansonsten steigt mein Barogramm meist ab einer Höhe von 700m wieder an. In erster Linie scheint dieser Flugstil nicht besonders schnell zu sein, wird aber bei schwierigem Wetter und intensivem Fliegen durchaus belohnt.
Auch aus dem Thema Pulken versuchten mein Teampartner Nils Heck und ich uns einigermaßen herauszuhalten und eigene Wege zu gehen, denn wenn man auf 20 oder mehr Flugzeuge in einem Höhenband achten muss, kann man sich viel weniger auf die eigentlichen Dinge des Fliegens konzentrieren.
Wenn dann auch das Umfeld und die Technik auf dem Wettbewerb funktioniert kann jeder neue Wertungstag mit kühlem Kopf und ohne Druck angegangen werden.
Eric: Ehrlich gesagt war ich mir bis zum letzten Tag vor der Meisterschaft nicht ein mal sicher, ob ich überhaupt antreten möchte. Demnach lautete mein Motto: „Einfach dabei sein und Spaß haben“. In diesem Sinne bin ich mit einer gewissen Leichtigkeit an den Wettbewerb herangegangen, auch wenn man den inneren Ehrgeiz nicht einfach ausschalten kann.
Obwohl das Wetter gut gemeldet war, wurde dann ein Pausetag eingelegt. Sicherlich eine gute Entscheidung der Wettbewerbsleitung. Wie habt ihr den Pausetag verbracht und war euer mentaler Akku wirklich leer?
Gerrit: Kurz gesagt: Ich lag auf der faulen Haut und habe mich nicht viel bewegt😉. Die größte Entfernung, die ich an diesem Tag zurückgelegt habe, war abends zum Hänger zu fahren und das Flugzeug wieder aufzubauen.
Für mich persönlich denke ich, dass kein Ruhetag hätte eingelegt werden müssen, da ich fliegerisch, physisch sowie mental noch fit war. Schaut man sich die Ergebnisliste an, so hat mir der Pausentag eher einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mit Platz 14, 15 und 9 an den Wertungstagen danach habe ich hier meine schlechtesten Tagesplatzierungen erflogen. Wenngleich auch mit nie mehr als 100 Punkte Rückstand auf den Tagessieger, was auch die doch recht hohe Dichte des Teilnehmerfeldes bezeichnet.
Objektiv betrachtet war der freie Tag allerdings mehr als gerechtfertigt. Sieben Tage am Stück fliegen bei Sonne satt und nicht immer einfachen Bedingungen verkraften nicht alle Teilnehmer gleichermaßen. Im Sinne eines fairen Wettbewerbes hier die weniger erfahrenen Piloten zu berücksichtigen ist meiner Meinung nach sehr vorbildlich.
Eric: Dadurch, dass ich Zuhause oft auch mehrere Tage nacheinander Flüge mit 10-11h absolviere, war es von der Ausdauer kein Problem. Trotzdem ist so ein Wettbewerb anstrengender als ein freier Flug, weil man extrem viele Flieger um sich herum hat, auf die man aufpassen muss. Von daher war ich froh den 8. Wertungstag in Heidenheim im Schwimmbad zu verbringen, auch wenn an dem Tag 1000km geflogen wurden.
Die ersten Tage waren von Blauthermik geprägt. Erst später im Wettbewerb gab es tolle Wolken. Welcher Wettbewerbstag ist euch als besonders schwierig in Erinnerung geblieben?
Gerrit: Ehrlich gesagt empfand ich keinen der Wertungstage als besonders schwierig. Es gab jedoch immer wieder Abschnitte, die es fliegerisch und taktisch in sich hatten. Hier fällt mir insbesondere der fünfte Wertungstag ein. Zumal ich hier einen Wiederstart benötigte und obendrein noch einen Mückenputzer verlor. Die erste Wende Plettenberg lag knapp 20 km im Blauen. Zwar lag die Basis auf der Alb noch bei etwas über 2000 m, in der Clubklasse kann man dann aber schon mal einen langen Hals bekommen. Um an die nächste Wende in Neuhausen ob Eck zu kommen wollte also irgendwie der Einstieg auf eine absaugende Albe wieder gemeistert werden. Defensives Schwabbeln an der Albkante bis zum Klippeneckbart war hier mein Mittel der Wahl.
Bei meinen Flügen waren es also eher einzelne Situationen, die herausfordernd waren, mit etwas Vorausdenken aber gut zu meistern waren.
Eric: Der dritte Wertungstag, an dem wir 360km durchs Blaue geschickt wurden war schon sehr anstrengend. Den Hauptpulk hatten wir verpasst und waren somit auf unsere 3er Team angewiesen. Wir hatten uns zwar schon durch die ersten zwei Tage an das wolkenlose Fliegen gewöhnt, aber mit dem extrem langen Gegenwindschenkel wurde an dem Tag jeder an seine Grenzen gebracht. Noch ärgerlicher und dadurch mental natürlich auch nicht ideal, war meine Außenlandung am Nachbarplatz Bopfingen um 19:45lcl nachdem mir nur noch ca. 50m zum Schließen der Aufgabe gefehlt haben.
Ihr konntet euch in den folgenden Tagen weiter nach vorne arbeiten und eure Führung etablieren. Ab wann kam das erste mal die Hoffnung auf den Wettbewerb gewinnen zu können?
Gerrit: Wenn man schon mit einem Tagessieg in den Wettbewerb startet, ist das Verlangen, diesen Platz bis zum Ende verteidigen zu können, natürlich groß. Dennoch bin ich jeden Tag ohne Gedanken an die Gesamtwertung ins Cockpit gestiegen. Nachdem ich mir am neunten Wertungstag einen Vorsprung von etwas über 300 Punkten auf den Zweitplatzierten John Bartels erflogen habe, wurde mir jedoch langsam klar, dass es eigentlich nur noch so weiterlaufen müsste, damit ich den Titel mit nach Hause nehmen kann. Gesagt, getan! Keine Änderung am Flugstil, Abflugverhalten und der Risikobereitschaft sowie die Unterstützung durch meinem Teampartner Nils ließen diesen Vorsprung dann nur noch geringfügig schrumpfen.
Eric: Am 6. Wertungstag bin ich erstmals auf den ersten Platz in der Gesamtwertung gerutscht. Natürlich ist das ein Bonus für die Stimmung, aber die Vorhersage für die restlichen Tage war vielversprechend und an den Sieg noch gar nicht zu denken. Am 8. Wertungstag wurde ich dann durch Nils Schlautmann abgelöst und hatte mich damit abgefunden bzw. weiterhin angestrebt mit dem 2. Platz aus dem Wettbewerb zu gehen.
Als Favorit ist man am letzten Wertungstag im Fokus! Wie seid ihr mit der Situation umgegangen?
Gerrit: Spezielle ausgefuchste Taktiken haben wir den gesamten Wettbewerb über nicht angewandt, sodass auch der letzte Tag wie jeder zuvor auch angegangen wurde. Natürlich wurde aber gerechnet: Ziemlich sicher kein 1000-Punkte-Tag, 300 Punkte Vorsprung und eine klassische Alb-Racing-Task, da genügt es fast schon einfach nur halbwegs zügig ohne Strafpunkte irgendwie in den Zielkreis zu kommen. Dies ließ die sehr geringe Nervosität dann aber recht schnell verschwinden und ich konnte den letzten Wertungstag noch einmal genießen.
Eric: Ja es war nochmal sehr spannend. Zugegeben, bis zum Anschleppen war ich auch etwas nervös, aber ab dem Moment war ich wieder in der Routine. Den Tag angehen als wäre es der erste Wertungstag und einfach kein übermäßiges Risiko eingehen. Im Endeffekt war ich mit dem 4. Platz in der Tageswertung auch nicht „der Überflieger“, sondern einfach konstant weitergeflogen.
Wenn ihr nun rückblickend an den Wettbewerb denkt: Was habt ihr gelernt?
Gerrit: Eindeutig: In der Ruhe liegt die Kraft. Aber auch wohlüberlegte Spontanität kann sich auszahlen.
Eric: Anders als bei der DMJ vor zwei Jahren wurde dieser Wettbewerb nicht an einem einzigen Tag entschieden. Bei 10 Wertungstagen entscheidet die konstante Leistung und konnte am Ende sogar eine Außenlandung wettmachen.
Danke für die Einblicke, die ihr uns gegeben habt! Wir möchten euch nochmals herzlich zu der tollen Leistung gratulieren und freuen uns darauf weitere Abendteuer mitverfolgen zu dürfen!