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Tilo Holighaus | Flugzeughersteller und Alb-Experte

Immer wieder lässt uns Tilo Holighaus in spannenden Fluggeschichten an seinen Flugabenteuern teilhaben. Im Interview verrät er uns etwas mehr über sich und seine Flüge.
Tilo Holighaus | Flugzeughersteller und Alb-Experte

⏳ Flugstunden: 6000
➰ Kurbelrichtung: Eher rechts
🏅Wettbewerbs- oder Streckenflug: Beides :)
🍕 Lieblingsessen im Flug: Selbstgemachtes Vesper von meiner Frau Katja
🍺 Erstes Getränk nach einem Flug: Saures Radler

Hallo Tilo! Danke, dass du uns etwas über dich und deine Fliegerei verrätst. Nicht nur durch deine großen Flüge bist du sicherlich bei fast jedem Segelflieger bekannt. Du leitest die Firma Schempp-Hirth Flugzeugbau, in der ihr großartige Flugzeuge herstellt. Einige wissen, dass du selbst aus einer Fliegerfamilie stammst. Mit wie viel Jahren saßt du das erste Mal in einem Segelflugzeug?

Mit 5 Jahren, zusammen mit meinem Bruder Ralf hinten im damals ganz neuen Janus, geflogen von meinem Vater. An den Flug kann ich mich gut erinnern - wir flogen tief im Hangwind an der Teck

Also begann deine Segelflugkarriere quasi an der Albkante. Davon darfst du uns später gerne noch mehr erzählen. Wusstest du schon bei deinem ersten Flug, dass Segelfliegen deine Passion sein wird, und konntest es kaum erwarten, mit der Schulung zu beginnen, oder fandest du erst später den Weg ins Cockpit?

Eigentlich beides - Fliegen war schon immer meine Leidenschaft und ich hab’ den ganz klassischen Weg über den Modellflug begonnen. Allein an einer Wiese hinter unserem Haus und an der Teck, später in unserem Verein, der Fliegergruppe Wolf-Hirth Kirchheim auf der Hahnweide. Das hat mir so Spaß gemacht, dass ich erst „später“, mit 14 1/2 das Schulen anfing - und dann sehr schnell dort hängenblieb und nur noch sporadisch Modellflug betrieb.

Da du Flugzeughersteller bist, möchte ich die Frage nach deinem Lieblingsflugzeug gerne aufteilen. Beginnen wir mit der vermeintlich einfacheren Frage: Welches Segelflugzeugmuster aus eurem Hause fliegst du am liebsten?

Normalerweise beantworte ich die Frage immer ganz diplomatisch und sage Minimoa :-) Etwas persönlicher würde ich sagen: den neuen Arcus, am liebsten zusammen mit meinen Kindern. Oder aber allein im Ventus.

Tilo mit seiner Tochter Amelie im Arcus über Nitra

Die Konkurrenz schläft nie. Welches Flugzeug von einem anderen Hersteller fandest du am angenehmsten zu fliegen?

Tatsächlich finde ich es spannend, auch mal die Flugzeuge anderer Hersteller zu fliegen. Meinem Geschmack am nächsten kommen dabei wohl die LS-Flugzeuge.

Was war in deiner fliegerischen Karriere der größte Erfolg?

Besonders gerne erinnere ich mich an mein erstes 1000 km Dreieck 1990 mit einem Nimbus-3 von der Hahnweide aus. 3 Jahre später ein Geschwindigkeits-Weltrekord über die 1000 km Dreiecksstrecke mit einem Nimbus-4 in Südafrika. Und dann mein Weltmeistertitel mit dem Ventus-3 beim Grand Prix Finale 2019 in La Cerdanya in den Pyrenäen.

Auf welche fliegerischen Fähigkeiten bist du besonders stolz und welche würdest du gerne noch weiter verbessern?

Bastelstunde mit Tilo im Kochertal

Was ich glaube, ganz gut kann, ist in schwierigen Situationen die Nerven zu behalten, dabei ganz konsequent Alternativen im Blick zu haben (insbesondere auch sichere Außenlandeoptionen) und so z.B. auch aus tieferen Höhen wieder wegzukommen. Schnell fliegen klappt auch ganz gut, aber weiter verbessern möchte ich mich noch im gemeinsamen Flug mit anderen z.B. im Pulk und bei der Ausnutzung der neuen technischen bzw. elektronischen Möglichkeiten.

Mehr als 30 Minuten unterhalb der Windenstarthöhe zu verbringen erfordert mentale Ausdauer

Wenn ich mir deine Flüge in WeGlide ansehe, stelle ich immer wieder eine Sache fest: Du fliegst sehr oft und nicht nur bei Hammerwetter! In deinen Kommentaren liest man auch bei eher kleinen Flügen detaillierte Infos und man spürt förmlich, wie dich jeder Flug packt! Was motiviert dich nach so vielen Flugstunden auch bei vermeintlich schlechtem Wetter den Ventus aufzurüsten und zu fliegen?

Der beste Flug ist der, den man macht.

Freut mich, dass meine Kommentare auch gelesen werden :-) Was mich motiviert? Vermutlich schlicht die Neugier. Beruhend auf der Faszination, dass doch eigentlich immer irgendwo irgendwas geht. Und gerade bei schlechten oder wie Du treffend sagst - vermeintlich schlechten Wetter - kann man am meisten lernen und an solche Flüge erinnert man sich besonders leicht. Und wie ich gerne sage: der beste Flug ist der, den man macht. Also einfach fliegen gehen. Ausreden, warum man heute nicht fliegen geht, sind mir hier zu einfach :-)

Ein zufriedenes Gesicht beim winterlichen Flug an der Teck

Das ist eine wirklich schöne Einstellung zum Fliegen! Dir wären sonst sicherlich viele außergewöhnliche Flüge durch die Finger gegangen. Welcher Flug aus den letzten zwei Jahren ist dir in besonderer Erinnerung geblieben?

Spontan fällt mir da das gemeinsame Flugabenteuer nach St. Auban im Juni 2023 ein, zusammen mit Mathias Schunk, Nils Fecker, Johannes Beyer und Henrik Theiss.

Zufriedene Piloten nach einem Wandersegelflug

Besonders der Rückflug am nächsten Tag war äußerst eindrucksvoll: Wir flogen bei schlechtestem Wetter mit anfänglich weniger als 1.500m Basis und aufkommenden Schauern in den südfranzösischen Bergen los und schafften gerade so ins Hochgebirge, wo es zwar auch hoch kompliziert, aber auch wunderschön war. Wieder zu Hause auf der Hahnweide staunte ich noch bis spät in die Nacht über das unglaubliche Wunder, in einem einzigen Flug so viel erleben zu dürfen.

Am meisten startest du von deinem Heimatflugplatz, der Hahnweide. Du bist aber schon in etlichen Regionen geflogen. Welche gefiel dir hierbei am besten und wieso?

In unserer abwechslungsreichen Heimat - besonders bei den vielen unterschiedlichen Bedingungen durch alle Jahreszeiten hindurch gefällt es mir eigentlich fast am besten. Ansonsten liebe ich die Berge - je einsamer, unerforschter und naturbelassener, umso besser. Daher zählt das Fliegen in Chile in den 5.000ern und 6.000ern der Anden schon bisher zu meinen absoluten Highlights.

Bei deinem letzten Flug konntest du die Albkante im Hangflug nutzen. Erzähl uns doch ein bisschen was über die Besonderheiten deiner Heimatregion im Bezug auf den Hangflug. Was ist bei optimalen Windverhältnissen die maximale Strecke, die man im reinen Hangflug erreichen könnte? Gibt es solche Tage? Was sind die Schwierigkeiten?

Das Hangfliegen an der Alb macht mir tatsächlich wahnsinnig Spaß, da es doch sehr komplex und immer wieder überraschend ist. Außerdem ist es wirklich eine herrliche Alternative vor oder nach der eigentlichen Saison oder bei Wetterlagen, die Thermikflüge nur bedingt zulassen, z.B. wenn die Basis (noch) zu tief ist. Für große Strecken eignet sich die Alb im Hangwind leider nicht, da man dazu stetigen Nordwest Wind bräuchte. Den gibt es aber meist nur, wenn eine Front in Anmarsch ist und dann fing es bei mir eigentlich bisher immer viel zu früh mit Regnen an… :-(

Nordwestwind passt deutlich besser zum Verlauf der Albkante. Leider ist dieser eher selten

Länger andauernden Wind gibt es somit meist nur aus West-Südwest und das bedeutet, dass nicht die Alb auf seiner Breitseite, sondern immer nur die Querrippen gut gehen. Das heißt, man steigt an einer Rippe und muss dann durch das Lee der nächsten Rippe um die Nasen herumfliegen, um dann dort wieder tief einzusteigen. Besonders gegen den Wind, also nach Südwesten ist das nichts für schwache Nerven und auch wirklich nur für jemanden empfehlenswert, der die Landemöglichkeiten bestens kennt und im Außenlanden gut geübt ist.

Viel öfter weht der Wind aus Südwest, quer zur Albkante. Viele Bereiche mit kräftigem Sinken sind dann zu durchqueren

Mit Rückenwind hingegen kann man an der Alb mit etwas Wind wunderbar seine Flüge verlängern - wie oft schon konnte ich so Flüge aus dem Schwarzwald kommend vollenden oder verlängern.

Auch im Winter kann von der Hahnweide aus im Hangwind geflogen werden

Wo findet dein nächstes Flugabenteuer statt?

Schon nächste Woche geht es zum Grand Prix Finale nach Pavullo/Italien. Ich freue mich schon sehr auf das Fliegen in den nördlichen Apenninen, auch wenn es fliegerisch dort sehr anspruchsvoll wird und ich mir hier ein spezielles Sicherheitskonzept erarbeitet habe. Zugutekommen wird mir dort meine Erfahrung beim ersten e-glide Wettbewerb 2019 mit dem Discus-2c FES. Dies übrigens eine Wettbewerbsform, die mir auch richtig viel Spaß macht, da man sehr viel zusätzliche fliegerische Optionen hat und durch die erlaubte, ja erwünschte, FES Nutzung quasi bei jedem Wetter zu spannenden, lehrreichen Flügen kommt - hoffentlich eine Alternative, die auch WeGlide noch mehr bereichern wird :-)

Vielen Dank für die Einblicke, die du mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir einen erfolgreichen Wettbewerb und alles Gute für deine zukünftigen Abenteuer in der Luft!


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