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Matthias Arnold | Willkommen im Team

Wir sprechen mit Matthias über Entscheidungen während des Fluges, sein Lieblingsflugzeug und warum er bei WeGlide als Redakteur einsteigt.
Matthias Arnold | Willkommen im Team
Matthias Arnold im Doppelsitzer auf Streckenjagd

⏳ Flugstunden: 2500
🍕 Lieblingsessen im Flug: Banane
😌 Traumflugzeug: Ventus 3
🌎 Traumziel zum Segelfliegen: Neuseeland

Matthias Arnold ist kein Unbekannter in der Segelflugwelt. Er war in den letzten zehn Jahren einer der beständigsten Piloten, wenn es darum ging, an einem bestimmten Tag die maximal mögliche Strecke zu erreichen.

Vor zehn Jahren waren Matthias und ich noch Junioren, die mit dem Streckensegelflug anfingen. Matthias war in seiner fliegerischen Entwicklung etwa zwei Jahre weiter und hatte bereits einige fantastische Flüge absolviert, während ich meine ersten längeren Flüge machte. Damals habe ich von der Analyse seiner Flüge viel gelernt.

Zwei Dinge haben mich an seinem Flugstil besonders fasziniert. Erstens trifft er konstant die richtige Entscheidung, wohin er als Nächstes fliegt, um die Distanz über sechs Schenkel zu maximieren. Zweitens: Bei guten Wetterbedingungen gibt es weltweit nur wenige Piloten, die schneller fliegen. Wenn alle anderen im Durchschnitt drei Meter pro Sekunde steigen, nimmt er alle 50 Kilometer vier Meter an und nutzt diese Aufwinde, um 700 Meter oder mehr an Höhe zu gewinnen. Seit dem Start von WeGlide Badges ist Matthias einer von nur neun Personen, die drei oder mehr Tage auf WeGlide gewonnen haben. Zudem hält er nach wie vor den Punkterekord in Namibia, den Matthias 2016 mit 1433 km in einem Ventus 2cxM 18m aufgestellt hat.

Matthias Arnold nach der Landung in Bitterwasser

Matthias tritt dem WeGlide Team als Autor bei und wir freuen uns sehr über die Expertise, die er in das Team einbringen wird. Er wird alle zwei Wochen die Serie Debriefing mit Matze veröffentlichen, in der er die Geschichten hinter außergewöhnlichen Piloten und Flügen aufdeckt. Zum Start werden wir heute die Seiten wechseln und ihn mit einem kleinen Interview vorstellen.

Matthias, ich freue mich, dass du Teil des WeGlide-Teams wirst. Wo bist du im Moment zu Hause?

Dankeschön! Ich freue mich sehr darauf, ein Teil des WeGlide-Teams zu sein! Seit April lebe ich wieder in Zürich.

Du bist in dieser Saison schon fast 100 Stunden geflogen. Was machst du beruflich?

Während der Corona-Krise war ich Lokführer in Frankfurt und konnte durch die Nähe zu meinem Heimatflugplatz Weinheim viel Zeit im Segelflugzeug verbringen. Vor kurzem konnte ich zurück zu meinem eigentlichen Beruf wechseln. Derzeit mache ich mein Typerating für den Airbus A320, was auch der Grund war, wieder nach Zürich zu ziehen. Ich bin sehr froh, nach dem kurzen Ausflug in die zweite Dimension wieder abheben zu dürfen und eine hervorragende Fluggesellschaft gefunden zu haben, für die ich nun fliegen darf.

Matze bei seiner Arbeit als Lokführer

Wie schaffst du es, die Zeit zum Fliegen zu finden?

Jeden Morgen, wenn ich den ersten Kaffee des Tages trinke, analysiere ich die Wetterlage. Auf dieser Grundlage plane ich dann die kommenden Tage und versuche übereinstimmende Zeiten zwischen gutem Segelflugwetter und freien Tagen zu finden.

Erzähl uns von deinem Verein, dem LSV Weinheim, und den Segelflugzeugen, die du dort fliegen kannst.

Meine Vereinsmitglieder sind der wichtigste Teil für erfolgreiche Flüge. Ich kann mich kaum an einen Tag erinnern, an dem ich wegen fehlender Hilfe nicht in die Luft gekommen bin. Da fünf von sieben möglichen guten Tagen pro Woche nicht aufs Wochenende fallen, ist es manchmal nicht einfach, einen Schlepppiloten zu finden. Aber alle versuchen, ihr Bestes zu geben! Oft ist eine Verschiebung der Mittagspause oder die Verlegung von Arbeitsterminen erforderlich, um uns zum richtigen Zeitpunkt in die Luft zu bekommen. Ich bin meinen Vereinsmitgliedern sehr dankbar für ihre großen und nicht selbstverständlichen Bemühungen!

Außerdem verbringe ich auch viel Zeit auf dem Flugplatz, ohne zu fliegen. Abends auf dem Flugplatz zu sein, ein kühles Bier zu trinken, mit Freunden den Sonnenuntergang zu beobachten und eine gute Zeit zu haben, ist mindestens genauso schön wie nach 1000 Kilometern zu landen. Ich fliege oft mit unserem Vereins-Discus 2c. Die Leistung dieses Flugzeugs gefällt mir, obwohl auf der linken Seite ein Hebel fehlt. Ein solches Flugzeug ohne Wölbklappen ist aber ein guter Kompromiss für alle Vereinsmitglieder. In den letzten Jahren habe ich immer öfter den Vereins Duo Discus genutzt, um andere Vereinsmitglieder an den Streckenflug heran zu führen.

Der Heimatflugplatz Weinheim liegt in der Nähe von Mannheim im Rheintal und bietet eine gute Infrastruktur für lange Flüge

Du bist schon so viele verschiedene Segelflugzeuge geflogen. Welches hat dich am meisten fasziniert?

Ich hatte die Gelegenheit, eine EB 28 für einige Tage in Bitterwasser zu fliegen. Ein bisschen fühlte es sich an, als würde man einen großen Bus fahren. Ich hatte großen Spaß daran, die Flugbahn dieses riesigen Segelflugzeugs zu steuern, während die endlosen Flügel schön zeigten, wo genau der Aufwind steht.

Mein Lieblingssegelflugzeug ist aber der Ventus 3. Ich habe etwa 100 Stunden in diesem Flugzeug verbracht, aber es benötigte nicht mehr als einen Flug, um sich im Ventus wohl zu fühlen. Das Flugzeug ist der perfekte Kompromiss zwischen Flugkomfort, Wendigkeit, Gleitzahl und Größe. Aber um ehrlich zu sein - vor einigen Wochen habe ich mich nach einigen Jahren mal wieder in unseren Astir CS gesetzt und hatte eine großartige Zeit. Das Wichtigste für mich ist in der Luft zu sein. Was für ein Flugzeug um mich herum ist, ist zweitrangig.

Vorbereitungen für einen großen Flugtag mit dem Ventus 

Wie bist du zum Segel- und Streckensegelflug gekommen?

Im Jahr 2010 war an meiner Schule eine soziale Plattform namens SchülerVZ sehr beliebt. Eines Tages sah ich ein Profilbild von einem Schulkollegen, der in einem Segelflugzeug saß. Bis dahin war ich mir sicher, dass Fliegen ein Sport ist, den nur reiche Leute ausüben können. Aber da wir nicht auf einer Privatschule sondern einer ,,normalen'' Schule waren, begann ich diese Meinung zu überdenken. Als Vierzehnjähriger nahm ich dann meinen Mut zusammen und fragte den älteren Jungen nach der Story hinter dem Bild. Er erkannte schnell mein Interesse an der Fliegerei und lud mich auf den Flugplatz ein. Nach einem Flug war ich überzeugt, dass dies meine neue Leidenschaft sein wird!

Ich erinnere mich an einen Tag in meinem ersten Sommer auf dem Flugplatz. Zwei Vereinsmitglieder kamen spät zur Landung zurück, und ich fragte sie, was sie in den letzten sieben Stunden gemacht haben. Sie erzählten mir von ihrem Flug in den Thüringer Wald, der etwa 200 Kilometer von unserem Flugplatz entfernt liegt. Zuerst war ich mir sicher, dass ich etwas falsch verstanden haben musste. Wie sollte es möglich sein so eine Distanz ohne Motor zurück zu legen? Das übertraf einfach meine Vorstellungskraft. Von diesem Tag an begann ich, mich intensiv mit dem Streckenflug zu befassen. Zwei Tage nachdem ich meine Lizenz erhalten hatte, fragte mich ein Fluglehrer, ob ich Interesse an einem Flug in unserem Duo Discus hätte. Natürlich hatte Lust! Nach 500 Kilometern landeten wir in Weinheim, und ich wusste, dass es genau das ist, was ich machen möchte.

Am Anfang habe ich einige Vermutungen über deinen Flugstil angestellt. Wie würdest du ihn selbst beschreiben?

Das Wichtigste an meinem Flugstil ist die Erfahrung und das Wissen über verschiedene Regionen in unterschiedlichen Wettersituationen. Auf der Grundlage dieses Wissens verfüge ich über ein gutes Situationsbewusstsein und kann meinen Flugstil an verschiedene Abschnitte eines Fluges anpassen. Ich habe inzwischen einen guten Kompromiss zwischen der Optimierung meiner Geschwindigkeit und dem Obenbleiben gefunden.

Vor einigen Jahren habe ich mich immer wieder dabei erwischt zu viel Gas zu gegeben und fand mich dann oft sehr niedrig, weit weg vom Flugplatz, wieder. Vor allem bei sehr langen Flügen ist es wichtig, die mentalen Ressourcen zu sinnvoll einzusetzen. Die kontinuierliche Bewertung der Wettersituation und die Fähigkeit, schnell von einer Taktik zur anderen zu wechseln, ist für mich der Weg zum Erfolg.

Schon vor zehn Jahren bist du auf einem sehr hohen Niveau geflogen. Was hast du seitdem an deinem Fliegen verbessert?

Ich habe gelernt, mir zu erlauben, beim Fliegen Fehler zu machen.

Neben der Fähigkeit, schnell die Taktik zu wechseln, habe ich gelernt mir selbst zu erlauben, beim Fliegen Fehler zu machen. Dabei spreche nicht von sicherheitsrelevanten Fehlern, sondern von Fehlern, die zum Beispiel die Auswahl der Wolken oder der Flugrouten betreffen. Als ich mit dem Streckenfliegen begonnen habe, war ich oft zu hart zu mir selbst, wenn ich nicht die beste Entscheidung getroffen hatte. Jetzt habe ich erkannt, dass es unmöglich ist, zwölf Stunden lang zu fliegen, ohne taktische Fehler zu machen. Nach jedem Flug nehme ich mir Zeit und überlege, ob ich Entscheidungen auf Basis der Informationen, die ich in der Situation zur Verfügung hatte, klug getroffen habe.

Stell dir zum Beispiel einen Tag mit einer sehr kurzen Lebensdauer von Cumulus-Wolken vor. Du hast die Wahl zwischen zwei identisch aussehenden Wolken, entscheidest dich für eine, und die Wolke beginnt beim Anflug auseinanderzufallen. Das ist in diesem Fall eher kein Fehler. Wenn du dich am selben Tag allerdings für eine große Wolke entscheidest, während sich eine kleine daneben aufbaut, könnte dies ein Fehler sein, der mit den in der Situation gegebenen Informationen vermeidbar gewesen wäre.

Taktikwechsel: Auch an einem Thermiktag muss manchmal ein Hang herhalten

Welche Wetter-Bedingungen passen deiner Meinung nach am besten zu deinem Flugstil?

Rückseitenwetter mit starkem Wind. Es gibt oft Gebiete, in denen man vorsichtig sein muss, und andere, in denen der Himmel brennt. Besonders wenn man gegen den Wind fliegt, muss man sich konzentrieren und bereit sein, die Taktik zu ändern.

Was ist deiner Meinung nach der Bereich, in dem du dich am meisten verbessern kannst

Ich ertappe mich oft dabei, dass ich bei der Suche nach Thermik tief komme und immer noch überwiegend nach oben zu den Wolken schaue. Der beste Indikator für Thermik sind natürlich Cumuluswolken, aber wenn man sich unterhalb einer bestimmten Höhe befindet, sollte man doch eher die Bodenoberflächen nach Thermikauslösern absuchen.

Wir sehen dich nicht an zentralen Wettbewerben teilnehmen. Warum ist das so?

Vor einigen Jahren bin ich noch Wettbewerbe geflogen und hatte dabei eine gute Zeit. Was ich an Wettbewerben nicht mag, ist an großen Tagen relativ kleine Aufgaben zu fliegen. Ich liebe es, so viel Zeit wie möglich im Segelflugzeug zu verbringen und dabei zu versuchen, die maximale Strecke zu erreichen. Wenn man dann am Ende einer Aufgabe durch gute Thermik bolzt um schnell daheim zu sein, tut das meinem Segelfliegerherzen weh. Abgesehen davon war es auch eine rationale Entscheidung keine Wettbewerbe mehr zu fliegen. Das Geld, welches ich für die Wettbewerbe ausgeben habe, investiere ich nun lieber in höhere F-Schlepps für große Überlandflüge.

Wird sich das in Zukunft ändern?

Vielleicht in einigen Jahren. Im Moment bin ich mit meiner Entscheidung zufrieden.

Weinheim liegt im Rheintal. Nicht gerade die perfekte Lage für Langstreckenflüge?

Ich denke, jede Region hat ihre Vor- und Nachteile. An warmen Tagen können wir oft erst später starten. Die umliegenden Berge sind einfach nicht hoch genug, um aus der Inversion herauszuschauen. An solchen Tagen warten wir oft auf den Beginn der Thermik und beobachten etwas frustriert das Live-Tracking. Aber es gibt auch andere Tage. Tage mit einer frischen und kalten Luftmasse passen perfekt zu unserer Region. In diesem Fall wären große Berge sogar eher hinderlich. In unserem Fluggebiet hat es außerdem viele Felder, die es uns ermöglichen, mit einer sehr niedrigen Wolkenbasis sicher zu fliegen. Dadurch können wir an diesen Tagen recht früh starten. Der größte Vorteil ist aber definitiv, dass wir das gesamte Jahr fliegen können. Hangflüge an der Bergstraße, Wellenflüge am Pfälzer Wald und Wellenflüge bei Ostwind helfen uns durch den Winter zu kommen.

Der Flugplatz Weinheim bietet die Möglichkeit das gesamte Jahr fliegerisch zu nutzen

Kannst du einen Piloten nennen, den du nur von WeGlide kennst und dessen Flüge/Flugstil du bewunderst?

Ich mag die Flüge von Baptiste Innocent. Sie sind groß, schnell und oft kreativ. Was ich an seinen Flügen liebe, ist, dass er seine Eindrücke in der Story teilt. Die Bilder sind atemberaubend!

Was ist deine Motivation, dem WeGlide-Team beizutreten?

In den letzten Jahren habe ich viel Zeit damit verbracht, Flüge online zu analysieren. WeGlide hat eine gute Balance zwischen einer statistischen und unterhaltsamen Darstellung von Flügen gefunden. Ich konnte die Plattform nutzen, um sowohl meine Flüge zu verbessern als auch abends auf der Couch unterhalten zu werden. Mir gefällt, dass das Team ein offenes Ohr für mögliche Verbesserungen und Feedback hat.

In deiner Artikelserie Debriefing mit Matze geht es um besondere Flüge und Piloten. Kannst du uns etwas mehr über die Idee dahinter erzählen?

Es gibt zwei Aspekte, auf die ich mich in der Serie konzentrieren möchte. Der eine ist dabei die Analyse eines bestimmten Fluges. Mit den Werkzeugen, die WeGlide zur Verfügung stellt, kann jeder Nutzer bereits jetzt einen Flug im Detail analysieren. Aber es gibt einige Aspekte, die ein Tool nicht zeigen kann. Eindrücke, Informationen über den Entscheidungsprozess und die Herausforderungen mit denen ein Pilot während des Fluges konfrontiert ist, kann man in einem Interview besser abbilden. Außerdem möchte ich mich auf die Person hinter den Flügen fokussieren und sehen, wer hinter den blauen Linien auf der Karte steckt.

Matthias, danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich freue mich schon auf deine Artikel.

Vielen Dank für die Möglichkeit, ein Teil des WeGlide-Teams zu sein! Aber ab jetzt gerne: "Matze".


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