Magazine

Segelfliegen auf Veronica

Fliegen in Namibia. Wann machst du deinen Traum wahr? Jonas Meier vom LSV Beilngries hat sich diesen zusammen mit zwei Vereinskollegen letzten November wahr gemacht.
Segelfliegen auf Veronica

Veronica ist das östlichste der vier Segelflugzentren in Namibia. Dort haben die Drei zwei unvergessliche Wochen erlebt. Dabei war für Jonas auch die ein oder andere Überraschung dabei. Doch lest selbst, in seinem Hautnahen Erlebnisbericht, der mit Sicherheit dazu anspornt den eigenen Traum bald auch anzugehen.


Du interessierst dich für das Fliegen in Veronica? Alle nötigen Infos in weitere Inspirationen findest du hier:


Namibia - vom Traum zur Realität

Gegen Juni letzten Jahres habe ich erstmalig vom Plan meiner zwei Vereinskollegen Johannes und Klaus erfahren, im kommenden Winter eine Reise nach Namibia zu unternehmen. „Schade“ dachte ich mir, da ich natürlich auch Lust habe, dieses Ziel von meiner Bucketlist zu streichen.

Jeden Winter ist es für den gemeinen Streckensegelflieger dasselbe Trauerspiel. Täglich werden neue Flüge hochgeladen mit immer größeren Strecken, schnelleren Schnitten und noch schöneren Bildern. Man selbst sitzt im kalten und nebligen Deutschland und wird durch die Impressionen nur noch wehmütiger nach warmen Temperaturen und täglichem Hammerwetter.

Glücklicherweise – Glück ist im Übrigen das richtige Stichwort, das wird im Folgenden noch des Öfteren zu lesen sein – naja, glücklicherweise haben meine zwei Kollegen gedacht, dass ein Doppelsitzer für zwei Personen zu viel ist. Der Gedankengang war, dass man ja doch hin und wieder einen Pausentag haben möchte und es dann mit 1,33 Piloten pro Sitzplatz zu einer besseren Auslastung des Flugzeugs kommen wird. Eine grobe Fehleinschätzung wie sich noch herausstellen wird.

Ende Juli wurde dann also auch ich ins Boot geholt, mehr oder weniger im Vorbeigehen wurde ich mit der Frage konfrontiert, wie es denn aussieht mit Namibia im November. Der Doppelsitzer ist organisiert, die Unterkunft steht fest, ich muss nur zusagen und buchen. Circa eine Woche habe ich für die Entscheidung gebraucht, dann waren die wichtigsten Punkte, nämlich Budget und Urlaub beim Arbeitgeber geklärt.

Bis es dann losgehen konnte musste ich dann doch noch einige Hausaufgaben erledigen. Die Liste ist jedoch relativ kurz: Reisepass beantragen, Sprachlevelprüfung ablegen und Eigenstartberechtigung erlangen. Das Sprachlevel habe ich kurzerhand und ohne große Vorbereitung bei einem der zahlreichen Onlineangebote abgelegt. Die Eigenstartberechtigung konnte ich am Flughafen Ingolstadt-Manching auf einer Stemme ablegen. Beides lief zum Glück relativ problemlos.

Dann kann es ja losgehen. Am dritten November ging es also von München über Frankfurt nach Windhuk. Bei der zweieinhalbstündigen Fahrt mit dem Shuttle zur Lodge war ich zunächst von der kargen und monotonen Landschaft ernüchtert. Ein kleines auflockerndes Abenteuer hielt die Fahrt dann doch für uns bereit. Wir waren schon fast bei der Lodge angekommen, als der Bus einen platten Reifen hatte. Hier wurde uns dann erstmals die Energie der Sonne bewusst. Zehn Minuten bei fast senkrecht stehender Sonne einen Reifen zu wechseln, war das erste krasse Kontrastprogramm zum Novemberwetter in Deutschland.

Die Lodge lässt keine Wünsche offen

Im Gegensatz dazu war das erste Mittagessen in der Lodge kein Kontrastprogramm: Es gab warmen Leberkäse mit diversen Beilagen. Nun gut, ich hoffte auf Abwechslung bei den nächsten Mahlzeiten, schließlich hat Namibia kulinarisch einiges zu bieten, zumindest was die verschiedenen Wildtiere betrifft.

Die Lodge in Veronica liegt auf einer Düne, der dazugehörige Flugplatz ist nur zwei Fußminuten entfernt. Die Gästezimmer liegen um das Hauptgebäude verteilt in kleinen einzelnen Hütten, hier kann man zwischen verschiedenen Ausstattungen wählen. Ich für meinen Teil habe die Economy-Variante gewählt, ein Zelt. Das war für mich jedoch völlig ausreichend und mit einem normalen Bett, Kleiderschrank und Elektrizität ausgestattet. Das Wichtigste war für mich jedoch die Dichtigkeit gegen unerwünschte Hausgäste, welche zu meiner Freude komplett gegeben war.

Nun geht es endlich ans Fliegen. Die Einweisung in den sehr überschaubaren Luftraum Namibias und die weiteren zu beachtenden Punkte war zügig erledigt. Die Groundcrew um Mike Köster, Jürgen Depil und Michael Paul ist eingespielt und bringt alles Wichtige an den Mann oder die Frau.

Wie fliegt man sich in Veronica ein?

Mein erster Flug mit Jürgen Depil auf dem nagelneuen TwinShark war zu Beginn etwas holprig, was meiner fehlenden Erfahrung im Eigenstart und der schwierigen Kommunikation per Intercom beim Motorlauf zurückzuführen ist. Es war ein blauer Tag und die meisten anderen Piloten haben die Zeit am Pool oder an der Bar totgeschlagen – für mich also eine perfekte Gelegenheit, um mich warmzufliegen.

Die namibianische Luft hielt an diesem Tag selten mehr als 1000 m AGL Thermikhöhe und magere 0,7 m/s Durchschnittssteigen bereit. Eine ziemlich anstrengende Angelegenheit, aber eine tolle Vorbereitung auf die oftmals blauen und schwachen Morgenstunden.

Zwei wichtige Fragen konnte ich hier bereits für mich klären: Erstens, wo soll in dieser so eintönigen Landschaft eine Abrisskante sein? Im ersten Moment ist man hier auch navigatorisch ziemlich verloren, in jeder Himmelsrichtung strahlt einem der Boden mit seinem charakteristischen orange-roten Sand entgegen und markante Merkmale sind eher rar gesät. Es bleiben nur Straßen, Farmen und die in unregelmäßigen Abständen verteilten grauen Lehmpfannen.

Zurück zur ersten Frage: Die Atmosphäre ist in Namibia etwas genügsamer, zumindest was die Auslösepunkte anbelangt. Schon die kleinsten Unterschiede reichen hier für einen Bart aus, zu den bereits genannten Landschaftsmerkmalen sind hier noch Wasserstellen oder Dünen zu nennen.

Nun zu Frage zwei: Wo kann man hier eigentlich landen? Als afrikanischer Ackerersatz müssen hier wieder die bereits angesprochenen Lehmpfannen herhalten, diese sind ja auch gut von weitem als grauer Klecks zu erkennen. Dann gibt es noch breite Straßenabschnitte und die hauseigenen Landebahnen einiger Farmen, welche notfalls genutzt werden können.

Aufpassen muss man bei vermeintlich breiten zweispurigen Straßen, hier handelt es sich oftmals um zwei angrenzende Farmen, der zwischen den Spuren verlaufende Weidezaun würde sich bei einer Landung dann definitiv als Showstopper herausstellen.

Während Jürgen mit mir die umliegenden Flugplätze Bitterwasser, Pokweni und Kiripotib abklapperte, konnten meine zwei Mitreisenden bereits eines der Highlights am Boden abhaken. Da die Veronica Lodge im namibianischen Winter eine Anlaufstelle für Jäger ist, kann man im zur Lodge gehörenden Gehege viele verschiedene einheimische Tiere beobachten, darunter Oryxantilopen, Sträuße, Giraffen, Springböcke und vieles mehr.

Das abendliche „very delicious food“, welches federführend von Koch Marcus zubereitet und wie selbstverständlich den hungrigen Gästen persönlich vorgestellt wird, beinhaltet dann neben Beilagen zumeist auch frisches Fleisch direkt von der Lodge. An der Bar kann man neben guten Gesprächen mit den Bediensteten auch sehr preiswert Getränke und Drinks aller Art erwerben (das Bier vom Fass kostet gerade mal 2 €).

Unsere erste Woche war mit eher mittelmäßigem, aber gutem Wetter zum Reinkommen geschmückt. So konnten wir meistens Strecken im Bereich der 600–800 km erfliegen und bereits die Vor- und Nachteile des afrikanischen Wetters hautnah erleben.

Wenn die Luftmasse zu labil ist, gibt es auch hier Gewitter. Diese passen sich in Größe und Heftigkeit jedoch auch den hiesigen Verhältnissen an. Am 7.11. mussten nach stundenlanger Heimwegsuche und intensiver Hilfe per Funk ganze drei Flugzeuge aus Veronica in Bitterwasser landen, da sich eine riesige Gewitterzelle um Veronica gebildet hatte. Bei meinen nächsten Flügen waren von hier an immer Zahnbürste, Kreditkarte und die nötigste Wäsche dabei – man kann ja nie wissen.

Was neben dem Hammerwetter auch auf sich warten ließ, war die bei der Planung erwartete Erschöpfung von den langen Flügen. Ganz im Gegenteil: Es war eher so, dass der eigentlich gegroundete Pilot hin und wieder einen Platz in einem anderen Doppelsitzer fand – wir waren offensichtlich alle drei ziemlich heiß aufs Fliegen und nicht auf Pool und Bar.

Die Große Überraschung - JS3 RES

Doch natürlich ist nicht immer ein anderweitiger Platz frei. Zeitgleich mit uns war Bruno Gantenbrink Gast in Veronica. Neben guten Anekdoten und Geschichten hat Bruno auch zwei Flugzeuge für einen Piloten mitgebracht – also statt 1,33 Piloten pro Sitzplatz war bei ihm das Verhältnis bei komfortablen 0,5.

Regelmäßig ist das zweite Flugzeug an Piloten verchartert. Zum Glück war dies in der zweiten Woche unseres Aufenthalts nicht der Fall. Nach kurzem Gespräch, Probesitzen (ohne Schuhe, ich bin relativ groß) und Papierkram war also der Weg frei – ich durfte JS3 RES fliegen 😍

Optisch das wohl heißeste Flugzeug, was man momentan bewegen kann – und nach den ersten 15 Minuten im Cockpit der YY konnte ich selbiges für das Handling attestieren. Ich war schlichtweg überwältigt. Wenn man bei einer Flächenbelastung von 50 kg/m² noch so agil ist, so eng kreisen kann und dabei so gut gleitet, muss man als Standardklassepilot schon kräftig schlucken, um die Liebe zum eigenen Fluggerät nicht zu verlieren. Es war, als hätte ich das Flugzeug schon geflogen – ich konnte mich direkt auf die normalen Dinge eines Streckenflugs konzentrieren. Die JS und ich waren direkt beste Freunde.

Morgens habe ich wegen des Erstflugs auf dem neuen Typ keinen Stress gemacht. Als dann aber der Stundenschnitt konstant hoch war und die Steigwerte endlich afrikanische Verhältnisse hatten, waren die 1000 km plötzlich zum Greifen nah. Dass die Strecken abends gemacht werden, wusste ich bereits aus Deutschland. Dass hier in Namibia wegen der kurzen Dämmerung und der langanhaltenden Thermik die Ankunftszeit bzw. ETA und natürlich die Ankunftshöhe für den Endanflug wichtige Infos sind, hat uns bei der Einweisung Jürgen bereits eingetrichtert. Ok gut, dann habe ich den vierten Schenkel nochmal lang gemacht und mich an die inzwischen auf 5000 m MSL angewachsene Basis gehalten, um dann noch ganze 140 km heimzugleiten. Ganz durchziehen konnte ich den Endanflug nicht und musste um 18:51, also 16 Minuten vor Sonnenuntergang, noch 0,8 m/s auskurbeln. Letztendlich hat es für 1006 km gereicht – und das im ersten Flug mit dem neuen Flugzeug. Voll mit diversen Glückshormonen und Adrenalin bin ich den anderen Gästen für den restlichen Abend vermutlich auf den Zeiger gegangen.

Und das Wetter für die nächsten Tage war weiterhin gut vorhergesagt – mit einer kleinen Zwangspause am 13.11., hier waren Wahlen in Namibia und der Luftraum war für uns gesperrt.

Am 14.11. ging es dann los zum zweiten Flug mit der JS3 – und auch hier schien ich Glück zu haben. Wie es Mike am Morgen beim Briefing angekündigt hatte, bildete sich über Botswana eine Konvergenz mit einer Nordwest–Südost-Ausrichtung. Nachdem ich meinen zweiten Wendepunkt im Südosten genommen hatte, musste ich erst ein wenig nach Norden, bis ich an der Konvergenz war. Und die ging wie der Teufel! Zu beschreiben gibt es ab hier kaum etwas. Die Konvergenz war so lang und hatte immer wieder Stellen dabei, welche mich im Geradeausflug an die Basis gebracht haben, sodass ich fast 500 km ohne Kreis fliegen konnte. Am Abend hatte sich die Linie so weit nach Südwesten bewegt, dass ich eigentlich nur noch aus der Konvergenz heimgleiten musste. 1230 km standen am Ende auf dem Kilometerzähler. Für den Leser könnte das jetzt falsch klingen, aber es war wirklich nicht schwierig – nur schien ich an diesem Tag als Einziger die Konvergenz so gut erwischt zu haben.

Dass in den folgenden Tagen nochmal mehr geht, hätte mir wirklich niemand weiß machen können. Es folgten noch ein 1258-, 1289- und ein 1162-km-Flug – der letzte sogar als deklariertes 1000-km-FAI.

Die Ausbeute mit der JS3 RES - Knapp 6000km in 5 Flügen

Jeder Flug hatte seine individuellen Highlights – beispielsweise der Ausblick auf die schroffe Landschaft im Westen mit der nachmittags als Sandsturm ins Landesinnere wehenden Seebrise oder die langen Schatten der Dünen der Kalahari kurz vor Sunset.

Veronica - wie eine große Familie

Nach den langen Flügen war es immer schön, in der familiären Atmosphäre mit allen den Abend zu verbringen. Hier ist noch die Familie der Lodge um Mia und ihren Mann Pedri mit ihren Töchtern Mila und Lalie zu nennen, welche den Aufenthalt so viel schöner machen durch ihre nette Art. Man ist hier kein normaler Hotelgast, sondern fühlt sich wie zu Besuch bei Freunden.

Nach zwei Tagen Ausruhen und Ausklingen lassen am Boden war es für uns dann leider auch schon wieder vorbei. Die Ankunft in Deutschland war wie erwartet: kalt. Während es auf dem Weg zum Flughafen in Windhuk noch 41 Grad hatte, wurden wir in Frankfurt mit 3 Grad begrüßt – und in München war sogar Schneefall gemeldet.

Da bleibt fast keine andere Wahl, als fest die Augen zu schließen und direkt vom nächsten Mal in Veronica, Namibia zu träumen.

Vielen Dank an Johannes, Klaus, Bruno, Mia, Pedri mit Mila und Lalie, Katrin, das Team der Lodge, Jürgen, Mike und Michael.