#1 Deutsche Meisterschaft im Streckensegelflug 2023 | Eine Bilanz
1817 angemeldete Strecken, 5585 TeilnehmerInnen. Das ist die Bilanz der DMSt Saison 2023. Böse Zungen behaupten, dass man die DMSt nur in der Rente gewinnen kann. Wurden die entsprechenden Strecken wirklich nur unter der Woche geflogen? Welche Klasse ist am härtesten umkämpft und wo kann man sich künftig selbst die besten Chancen ausrechnen? Und für die Neulinge unter uns: Wie setzt sich die Wertung in der DMSt zusammen? Gemeinsam mit den Gewinnern wollen wir das DMSt Jahr mit euch abschließen.
DMSt - So einfach wie noch nie
Die alten DMSt-Hasen unter uns können diesen Teil gepflegt überspringen. Für die Neulinge hier das Wertungssystem kurz und knackig:
Man erkennt schnell: Anmelden lohnt sich, die Punktzahl erhöht sich um 30%! Zudem wird die Ziel-Rück-Strecke etwas niedriger bewertet, als das Dreieck und Viereck. Natürlich erfahrt ihr über den WeGlide Task Planer die mögliche Punktzahl für den geplanten Flug, sobald ihr das Segelflugzeug hinzufügt. Im Anschluss könnt ihr die Aufgabe online bei uns deklarieren - nie war DMSt-Fliegen einfacher!
Die Klassen im Überblick
Einige haben in mehreren Klassen an der DMSt teilgenommen. So kommen wir in 2023 auf eine absolute Teilnehmerzahl von 7846 PilotInnen. 18m-, Club- und Standard Klasse machen rund ein Fünftel aus. Die meisten Teilnehmer waren mit 28% in der Dosi Klasse unterwegs, während die Offene- und 15m Klasse zusammen nur etwas mehr als ein Zehntel ausmachen. Doch hatte man in den Klassen geringerer Teilnehmerzahl auch bessere Chancen, vorne mitzufliegen? Wo war das Niveau am höchsten? Zusammen mit den Gewinnern schauen wir uns die Klassen einmal genauer an.
18m Klasse
Mit 1760 PilotInnen ist die 18m Klasse die zweitbeliebteste. Hier haben ein gutes Fünftel der Gesamtteilnehmerzahl mitgemischt. Darüber hinaus scheint das Niveau bei den 18m Fliegern enorm. Wer hier vorne mitfliegen will, darf sich im Prinzip keinen Fehlschlag erlauben. Das zeigt auch die Bilanz der Deklarationen bzw. Umrundungen. Platz 1 bis 3 haben alle ihre 3 Wertungsflüge deklariert und erfolgreich umrundet. Mittelt man die 30 Wertungsflüge der Top Ten, wurden pro Flug im Schnitt unglaubliche 1267,63 Punkte erreicht. Verschärft man den Blick auf die Top 3 zieht das Niveau mit durchschnittlich 1331,48 Punkten nochmals deutlich an. Mit über 4000 Punkten wurde hier zudem die höchste Gesamtpunktzahl erreicht. In der Tat ist der Titel in der 18m Klasse eine hart umkämpfter.
Wer kann sich dieses Jahr Sieger in der 18m Klasse nennen? 🥇Bernd Schmid hat sich vor 🥈Gerhard Heidebrecht und 🥉Frank Rodewald behaupten können. Wir haben mit Bernd gesprochen. Hier geht es auch direkt um das "DMSt-Rentner" Gerücht:
„Nur Rentner können die DMSt gewinnen! Diese These hatte ich in jungen Jahren meines Segelfliegerlebens aufgestellt. Jetzt gehöre ich zu dieser Pilotengruppe und gewinne die DMSt in der 18-m-Klasse. Ist da tatsächlich etwas dran? Wer sich meine 3 großen Flüge ansieht, wird feststellen, dass 2 dieser Flüge am Wochenende geflogen wurden. Der dritte Flug fand am besten Tag der Saison statt, zumindest im Flachland, an dem doch erstaunlich viele Spitzenpiloten sich Zeit genommen hatten und außerordentliche Strecken geflogen sind (z.B. Sebastian Bauder 1057km, Michael Schlaich 1037km, Max Schäfer 1032km). Dazu aber später noch ein bisschen mehr. Damit wäre diese These erst einmal widerlegt bzw. in Frage gestellt.
Wie kommen diese sagenhaften Strecken im „Flachland“ Deutschlands zustande, bzw. was ist mein Erfolgsrezept, wenn es das überhaupt gibt? Wenn ich den Vergleich zu früher anstelle, kommt mir sofort die Präzision der angebotenen Wettervorhersagen von TopMeteo, Skysight und Top Task von DWD in den Sinn. Vielen herzlichen Dank dafür an die Anbieter. Hier ist meines Erachtens ein Schlüssel zum Erfolg zu finden. Ein weiterer Erfolgsfaktor liegt sicherlich in meinem Flugzeug. Wir sind ein tolles Team, dass kaum besser sein kann. Die Fliegerei mit meinem Ventus 3M strengt nicht an, gibt einem immer das Gefühl der Sicherheit und einer super Leistung, die jederzeit abrufbar ist.
Ein weiterer Aspekt ist die DMSt-Bundesliga. In unserem Verein dem LSR Aalen, darüber haben wir schon ausführlich berichtet, sind zwei Gruppen, die sich das Thema Speed und Fläche teilen. Das kommt mir sehr entgegen, da ich gerne lang fliege und ein bisschen bequem bin beim Thema Flächenbelastung. Habe ich noch etwas vergessen? Ja, zum einen ist der Ausgangspunkt in Aalen einer der besten in ganz Deutschland. Zum anderen ist die Infrastruktur des LSR Aalen ziemlich einzigartig und beflügelt zu solchen Leistungen. Last but not least: meine liebe Frau, die ein außerordentliches Verständnis für meine Fliegerei hat und mich immer dabei unterstützt.
Zusätzlich gibt Bernd nochmals einen analytischen Rückblick auf den 06. Juli 2023. Dieser Donnerstag war der vermeintlich beste Tag der Saison:
Die meisten Piloten konnten an diesem Tag schon gegen 09:30 Uhr starten. Mit eine der letzten Landungen war von meinem Vereinskollegen Roland Rittner gegen 20:40 Uhr. Max Schäfer ist erst gegen 21:30 Uhr gelandet, wobei hier wohl auch noch etwas Industriethermik im Spiel war. Die geflogenen Schnitte lagen im Bereich größer 110 km/h. Wenn ich mir das genutzte Terrain dazu ansehe, dann liegt die Prognose nahe, dass wir nächstes Jahr noch größere FAI-Dreiecke in Deutschland sehen werden, die die 1100km-Marke knacken werden. Ich wünsche allen DMSt-Begeisternden und denen die es gerade geworden sind, eine erlebnisreiche und unfallfreie Saison 2024.
Offene Klasse
Es steht nicht zur Debatte, dass Aalen, gelegen auf der östlichen Schwäbisch Alb, eine hervorragende Ausgangslage ist. Doch der Sieger in der Offenen Klasse beweist, dass man nicht zwingend in Süddeutschland wohnhaft sein muss, um die DMSt aufzumischen. Wir reden von 🥇Siegfried Samson der ein gutes Stück weiter nördlich ab Langenselbold fliegt und sich vor 🥈Matthias Schunk und 🥉Michael Sommer behaupten konnte.
Bevor wir Siegfried zu Wort kommen lassen, schauen wir uns die Offene Klasse nochmal im Detail an. Zieht sie mit dem Niveau der 18m Klasse gleich? Nichtmal ein Zehntel der TeilnehmerInnen sind in der Offenen Klasse vertreten. Genauer gesagt sind es 467, das selbstverständlich nichts über das Leistungsspektrum auf den oberen Rängen aussagt. Vielmehr ist das Niveau mit durchschnittlich 1188,93 Punkten bei den ersten 30 Flügen der Top Ten und erstaunlichen 1315,21 Punkten pro Flug bei den Top 3, ähnlich hoch. Die benötigten 4000 Gesamtpunkte, ziehen mit der 18m Klasse gleich. Auffällig ist in der Offenen Klasse das extrem knappe Duell auf dem Treppchen, lediglich 19 Punkte trennen die ersten beiden Plätze voneinander. Ebenfalls darf man mit seiner fliegerischen Konsistenz nicht nachlässig sein. Platz 1 und 2 haben alle 3 Flüge deklariert und erfolgreich umrundet.
Platz 3 hat zwar nur 2 Flüge deklariert und einen davon erfolgreich abgeschlossen, jedoch konnte Michael Sommer dieses Defizit mit extrem großen freien Strecken wieder rausfliegen - Respekt! Gerne erinnern wir uns an das freie 1250 km Dreieck um Tschechien vom 07.07.2023, genau einen Tag nach dem "Tag des Jahres" über Deutschland. Ist die schwäbische Alb also wirklich das Optimum für den DMSt-Flieger? PilotInnen weiter im Osten haben prinzipiell die Chance diese enormen Wetterlagen zwei Tage zu nutzen. Beispielsweise am ersten Tag über Deutschland und am zweiten über Tschechien. Nun lassen wir aber den Sieger, Siegfried Samson zu Wort kommen:
"Was für eine Saison! Das Frühjahr war für große Strecken eher lausig. Am 18.05. unternahm ich den ersten Versuch mit einem 750er Dreieck im Nordwesten um Frankfurt herum. Leider war dieser Flug am Ende im Vogelsberg bereits vorbei. Ich bekam einfach nicht mehr die Höhe für einen sicheren Endanflug. Und schon lagen Michael Sommer mit über 1000 km und Enrique Levin mit 830 km vorne. Matthias Schunk konnte dann Anfang Juni auch ein Viereck mit 900 km in den Alpen nachlegen. Also ein klassischer Fehlstart. Dann kam erst einmal die Deutsche Doppelsitzermeisterschaft in Bayreuth mit 11 Flugtagen. Und danach ging es aber so richtig los.
Am 11.06. gleich mit 820 km über Alb, Erzgebirge und Thüringer Wald. Zwar wie so oft das große Zittern ob es in der Rhön noch geht aber schließlich glücklich um 20:00 gelandet. Zwei Tage später ging es bis Detmold, also fast meine alte Heimat Niedersachsen, weit nach Tschechien und über Tauberbischofsheim zurück. 840 km mit einem 108er Schnitt. Es fing an zu laufen und Hoffnung keimt auf. Matthias hatte inzwischen auch ein 860er Viereck nachgelegt. Am 15.06. dann der dritte Flug über 870 km. Kleiner Absitzer auf dem Heimweg im Kraichgau, aber ich denke es läuft. Und das Wetter ließ nicht nach. Am 17.06. knapp 1000 km mit den Wenden Etting, Saarschleife und Brilon im Hochsauerland. Ich war oben dran in der Wertung, aber Matthias hatte inzwischen ein angemeldeten Zielrückkehrflug über 1000 km nachgelegt. Es bleibt eng, denn auch Michael und Enrique sind vorne mit dabei.
Ende Juni wollte ich es wissen und schrieb wieder ein Tausender aus. Aber immer geht`s halt nicht. Auch Enrique hatte einen großen Flug über Thüringer Wald, Schwäbische Alb und Schwarzwald versucht, hat aber auch die letzte Wende nicht mehr angeflogen. Kurze Verschnaufpause bis es Anfang Juli weiterging. Ein Volltreffer über 1023 km mit den Wenden bei Kassel, hinter dem Böhmerwald und Erbach bei Ulm.
Folgend wird nochmals klar, wie knapp es in der Offenen Klasse tatsächlich herging:
Ganz kurz lag ich in der Wertung jetzt vorne. Aber Matthias hat gleich am nächsten Tag eines seiner beliebten Vierecke mit 1000km in den Alpen vollendet. Puh, ob da noch mal was geht ? Ein 900er würde reichen, aber die Tage werden schon wieder kürzer. Am 13.07. sollte es sein. Erste Wende Furth im Wald dann zum Schluchsee und nach Hause war der Plan. Zwanzig Minuten habe ich vorm Spessart bei bester Wetteroptik rumgedoktert und dann doch in Altfeld den Motor nutzen müssen. Mist, das war`s dann wohl.
Der 20.07., die letzte Chance. Von Norden sollte es früh labilisieren und schauern. Wie wahr. Um 09:15 Lokalzeit bin ich bei Nieselregen gestartet um noch trocken zum Abflugpunkt zu gelangen. Danach langes Gleiten zu den ersten Sonnenstrahlen und am Rande des Spessart in 900 m MSL erst einmal parken. Eigentlich hatte die Thermik noch gar nicht richtig begonnen. Um 13:30 an der ersten Wende Schluchsee, also weit hinter dem Zeitplan. Aber dann hat die Alb gezeigt was sie kann. 2:45 Stunden für 380 km bis nach Furth im Wald. Was würde das Wetter im Norden des Kurses machen. Es gab die Überlegung im Süden um Nürnberg nach Hause zu fliegen, denn im Norden war es sehr ausgebreitet, es sei denn man bleibt ganz dicht am Nürnberger Luftraum dran. Nach kurzer Diskussion mit Langen konnte ich meinen Plan umsetzen und so im gerade noch fliegbaren gutem Wetter den Flug fortsetzen. Um 18:30 hatte ich dann in Schweinfurt bereits fast Endanflughöhe und konnte im Spessart problemlos Anschluss finden.
Dann war diese verrückte Saison auch schon rum, was noch keiner wusste. Für mich natürlich noch ein wenig Bangen ob nicht noch jemand einen Riesenflug raushaut, aber es blieb dabei. Ich lag mit kanpp 4000 DMSt Punkten ganz vorne. Mein erster Titel in der Offenen Klasse mit meiner ASH 31mi.
Frauenwertung
Wenn man die Wertung der Offenen Klasse genauer betrachtet, erkennt man mit Andrea Abt eine Frau, die sich in einem nach wie vor von Männern dominierten Sport hervorragend behauptet und nur knapp an den Top Ten vorbeigeflogen ist. Für die DMSt Frauenwertung bedeutet das für 🥇Andrea Abt jedoch Platz eins, vor 🥈Annika Graeber und 🥉Ute Hoffmann. Mit den Zahlen halten wir uns hier zurück. Wir finden, Andrea hat hier sehr passende Worte gefunden:
Ja, was soll ich nun über die 2023er Saison sagen? In jedem Fall war es meine beste Saison in Europa, seit ich 1986 mit dem Segelfliegen angefangen habe. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für meine freien Flüge von Fayence aus, die ja nicht für die DMSt berücksichtigt werden. Meine beste Saison nicht, weil das Wetter besser gewesen wäre, sondern weil ich wieder meinen eigenen fliegerischen Horizont erweitern konnte.
Für die DMSt waren es dann Zielrück Königsdorf- Matterhorn, Burg Feuerstein – Reiselfingen, beides angemeldet, was nicht so oft gelingt. Und die Tage waren gut und lang, aber nicht außergewöhnlich. Als Sahnehäubchen dann das 1000er Viereck in den Alpen, das wir alle eigentlich eher aus Verlegenheit deklariert haben, weil der Tag halt so lang war und die Vorhersage auch ganz gut aussah – dran geglaubt hat wahrscheinlich nicht einmal Mathias Schunk, der die Strecke wie so oft in Königsdorf vorgeschlagen hatte.
1000 km in Europa hatte ich mir für dieses Jahr vorgenommen. Dass es dann in den Alpen war, über große Strecken gemeinsam mit Jo Beyer und Nicolai Wolf, hat mich besonders gefreut. Denn ich bin ja keine geborene Alpenfliegerin, brauche in der Regel etwas länger als die anderen und bin auch deutlich weniger risikofreudig. Meist bin ich schon glücklich, wenn ich überhaupt in der Bundesliga-Wertung von Königsdorf auftauche, aber hier Teil des Teams der Tagesgewinner mit drei deklarierten 1000ern zu sein, das war schon was, das motiviert, sich weiter zu verbessern.
Nur 6 Prozent der Meldenden sind weiblich, Andrea Abt bringt es auf den Punkt:
Mein zweiter Vorsatz war eine annehmbare Punktzahl für die DMSt-Wertung. Über 3000 Punkte und Platz 75 von 5585 Piloten und Pilotinnen in der gesamten DMSt reichten dann für den ersten Platz der Frauenwertung, in der 323 Pilotinnen insgesamt gemeldet haben. Leider nur 323 Pilotinnen, muss man sagen, denn dass nur 6 Prozent der Meldenden weiblich sind, ist wirklich schade. Das Schöne an unserem Sport ist, dass man sich jederzeit (wie man sieht, selbst in meinem fortgeschrittenen Alter) und von jedem Level aus weiterentwickeln kann. Man muss es nur wollen und am Ende auch tun!
Am Samstag geht es mit den restlichen Klassen weiter. Zudem beleuchten wir, an welchen Tagen die DMSt 2023 entschieden wurde und welche Klasse schlussendlich die härteste Konkurrenz hat - seid gespannt.
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