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DMSt | Segelflug in den 90er Jahren

Eine Reise zurück in eine Zeit, als die Streckenfliegerin noch Stammgast im örtlichen Fotolabor war.
DMSt | Segelflug in den 90er Jahren

Kürzlich haben wir die DMSt Statistik für 2024 veröffentlicht. Falls ihr den Artikel verpasst habt, könnt ihr ihn hier nachlesen:

Deutsche Meisterschaft im Streckensegelflug 2024 | Die Bilanz
Zusammen mit den DMSt Gewinnern wollen wir die Saison Revue passieren lassen. In welcher Klasse war die Leistungsdichte am höchsten? An welchen Tagen wurde die DMSt entschieden? Mehr dazu im Bericht.

Aufgaben planen und deklarieren ist heute dank WeGlide einfacher denn je. Doch wie war das DMSt fliegen vor der Zeit der GPS-Logger? Für viele von euch ist das natürlich nichts Neues. In unserem Team haben jedoch alle in den späten 90ern das Licht der Welt erblickt. Das Fliegen mit GPS-Aufzeichnung nehmen wir als Selbstverständlichkeit hin. Hier also eine kleine Zeitreise für die Youngster und alle, die gerne in Erinnerung schwelgen.

Wenn wir unsere Datenbanken warten, stoßen wir auf vielerlei interessante Dinge. Dieses Mal war es eine LS 1-0 FG und deren Flüge aus dem Jahr 1999, die auf WeGlide hochgeladen wurden und unser Interesse aus zwei Gründen weckte.

Erstens wussten wir nicht genau, um was für eine LS 1 es sich handelt. Zweitens fanden wir es schön, dass jemand Flüge aus einem Jahr hochgeladen hatte, als die Fliegerei mit einem GPS-Logger noch in den Kinderschuhen steckte. Wenn man sich diese Flüge auf WeGlide anschaut, könnten sie von gestern sein:

Flüge ab Bückeburg aus dem Jahr 1999

Die Frage der LS 1-0 ist schnell geklärt. Bei dem Flieger handelt es sich um einen der ersten seiner Gattung und hat noch ein festes Fahrwerk. Das FG steht für "Fixed Gear". Umso beeindruckender sind die Flüge, die Reiner Rühl vom LSV Bückeburg-Weinberg damit gemacht hat.

Reiner war 1999 motiviert, in der DMSt der Clubklasse vorne mitzufliegen. Er hat uns sein gesammeltes Material zukommen lassen, und zwar nicht via Mail, sondern mit der Post. Für uns sehr ungewohnt, die Auswertung physisch in den Händen zu halten, anstatt auf den Bildschirm zu schauen.

Wenn man heute an der DMSt teilnehmen möchte, plant man seine Aufgabe in WeGlide, deklariert diese online, fliegt die Aufgabe und lädt abends seinen Flug hoch. Der Flug wird direkt ausgewertet und man sieht in der Rangliste sofort, wo man steht. Ziemlich komfortabel, oder nicht?

Im Jahr 1999 sah das ganze noch etwas anders aus. Es gab zwar auch schon einzelne GPS-Logger. Doch die wurden zu der damaligen Zeit eher belächelt. Die DMSt wurde damals "offline" ausgetragen:

Wie spielte sich ein DMSt Flug damals ab? So, oder so ähnlich wird es wohl gewesen sein (bestimmt hatte jeder Pilot seine eigene Routine): Man nahm sich ein Fotoformular, trug seine Daten und geplanten Wendepunkte ein, begab sich auf die Suche nach einem Sportzeugen, der unterschrieb. Anschließend fotografierte man den Sportzeugen samt Formular ab (Foto oben links).

Nun beschriftete man das Barogramm, verplombte den Barographen und stellte diesen auf eine ausreichende Umlaufzeit ein. Dann steckte man seine analoge Kamera in die Haubenvorrichtung, um sicherzustellen, dass auch die Fläche mit auf dem Bild ist (sonst war der Wendepunkt ungültig). Wichtig: den Film in der Kamera nicht vergessen!

Dann ging es auf Strecke. Wahrscheinlich verlor man je nach Erfahrung ein paar wichtige Höhenmeter, während man sich auf das Wendepunktfoto (die drei Fotos oben rechts) konzentrierte. Reiner hat das immer gut gemeistert, wir haben uns die Flüge auf WeGlide angeschaut.

Nach dem Flug entnahm man den Barographenschrieb und hoffte, dass dieser keinen Ausfall hatte. Im Anschluss begab man sich erneut auf die Suche nach einem Sportzeugen, der einem die Landung und das Barogramm bescheinigte. Auch den fotografiert man nochmals samt Fotoformular. (Bild unten links). Dann entnahm man den Film aus der Kamera, um ihn beim Fotogeschäft seines Vertrauens entwickeln zu lassen.

Ob der Flug gültig war, wusste man erst nach dem Besuch beim örtlichen Fotolabor, denn die Wendepunkte mussten auf den Fotos eindeutig erkennbar sein. War das der Fall, heftete man alles an das Fotoformular und übergab es zur Vorauswertung. Es blieb also zunächst völlig unklar, ob einen der Flug in der DMSt weitergebracht hat und wo man sich auf der Rangliste befindet - für uns wahrlich unvorstellbar.

Das war der fliegerisch Alltag eines DMSt Piloten im Jahr 1999. Dass dabei trotzdem beachtliche Strecken zusammen gekommen sind, wollen wir nicht infrage stellen. Am 31. Juli ist Reiner ein 695 km Dreieck mit seiner LS1-0 gelungen:

Da die Aufgabe auch in das LX 20 eingeben wurde, ist die deklarierte Strecke sogar auf der Map angezeigt. Es ist spannend, den alten Barographenschrieb mit dem digitalen Baro abzugleichen.

Die Wendepunktfotos kann man schön mit dem HD Satellitenbild abgleichen. Am östlichen Wendepunkt (A9 Abfahrt Nr. 5) hat sich in fast 25 Jahren kaum etwas verändert. Übrigens: Die schwarzen Pfeile auf dem Foto markieren die Ein- und Ausflugsrichtung des Wendepunktes. Wenn man genau hinschaut, hat Reiner den online deklarierten Wendepunkt knapp verpasst. Heute fatal, früher egal. Da ging es darum, den Wendepunkt sauber zu fotografieren. Und haben wir eigentlich schon erwähnt, dass Moving Maps damals noch Zukunftsmusik war und mit physischen Karten navigiert wurde? Von den Wetterprognosen ganz zu schweigen, die man damals zum Teil noch telefonisch eingeholt hat.

DMST 1999 und heute

Welche Platzierung gab es letztendlich für Reiner Rühl und wie hat man im Jahr 1999 eigentlich erfahren, auf welchen Platz man gelandet ist? Ähnlich wie heute wurden auf dem Deutschen Segelfliegertag die Sieger aller Klassen geehrt und es gab seitenlange Listen, in denen man sich suchen konnte:

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Reiner ist in der klassenübergreifenden Gesamtwertung auf Platz 11, direkt hinter Michael Sommer gelandet. Michael flog damals übrigens den Nimbus 4 "EP", der 1999 erstmalig als Förderflugzeug vergeben wurde. Falls ihr mehr über die Geschichte der "EP" erfahren wollt, haben wir foglenden Artikel für euch:

Echo Papa, Sprungbrett zum Erfolg
Auf vielen Segelfliegertagen der vergangenen Jahre hat man den Nimbus 4 “EP” schon gesichtet. Morgen werden auf dem 80. Segelfliegertag in Freudenstadt die neuen Förderpiloten ernannt. Doch was steckt eigentlich hinter dem Kennzeichen Echo Papa?

Reiner Rühl (SFG Bückeburg) konnte sich in der Clubklasse auf Platz vier hinter Lutz Seiler (LSV Altkreis Isenhagen), Holger Schlüter (LSV Burgdorf) und Rainer Cronjäger (LSV Bad Neuenahr) platzieren – da wir damals noch nicht in der Lage waren zu gratulieren fast 25 Jahre später auch nochmals Glückwunsch von uns.

Niedersachsen war zu der Zeit scheinbar sehr aktiv in der DMSt. Nicht nur drei der top fünf Clubklasse-Piloten kamen aus dem Bundesland. Niedersachsen war auch mit insgesamt 663 Teilnehmern das zweitstärkste Feld nach Baden-Württemberg (790 Piloten) und vor Bayern (616 Piloten).

Es ist unbestritten, dass seit vielen Jahren die Zahl der aktiven Segelflieger zurückgeht. Doch wie sieht es mit der DMSt aus, ist die Anzahl der Pilot auch hier derart gesunken? Im Gegenteil:

1999 war ein sehr starkes Jahr für die DMSt. Mit 4374 Teilnehmern, 18.990 Flügen und 6.602.365 km war es das beste Jahr in den 90ern. Beispielsweise wurden im Vergleich zu 1998 rund 70 % mehr Streckenkilometer geflogen. Doch im Jahr 2023 beispielsweise haben 5585 Piloten an der DMSt teilgenommen und sind dabei 11.369.507 km, bei 44.065 Flügen geflogen. Dieses Jahr wurde also weit mehr als doppelt so viele Flüge eingereicht, wie im Jahr 1999.

Aber wir wollen die Kirche im Dorf lassen. Heute sind wir im Zeitalter der online Deklaration, außerdem zählen auch bestimmte Flüge in die DMSt die nicht deklariert wurden. Nun haben auch die Jungen unter uns gelernt, dass früher der Aufwand einen DMSt Flug zu machen wesentlich höher war. Zum einen waren weniger Piloten so motiviert, diesen Aufwand zu betreiben. Zum anderen waren sie, sobald deklariert, dementsprechend ambitioniert unterwegs. Pro Flug wurden damals mit 350 km rund 100 km mehr geflogen als 2024.

Kilometer hin oder her. Von Anfang an war es unser erklärtes Ziel, die DMSt möglichst einfach zu gestalten. Dass immer mehr Piloten daran teilnehmen und Spaß an dieser Fliegerei haben, freut uns sehr. Wir hoffen künftig noch weitere Segelflieger für die DMSt gewinnen zu können und damit ein wichtiges Instrument für unseren Breitensport sicherzustellen.


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