Magazine

Ein kreatives 1000km FAI Dreieck

Mit einem sehr kreativen 1000km FAI Dreieck überraschte Markus Frank die Segelflieger-Community. In einem Interview berichtet er über den herausragenden Flug.
Ein kreatives 1000km FAI Dreieck
Markus Frank in seiner EB 29

Den Namen Markus Frank kennen die meisten Segelflieger sicherlich. Egal ob auf nationalen und internationalen Meisterschaften oder bei guten Streckenflugtagen, Markus ist vorne mit dabei. Am 17.06.2023 gelang ihm ein herausragender Flug, der durch eine unübliche Streckenführung für Aufsehen sorgte. Mit über 7000 Flugstunden bringt der Erschaffer dieses Kunstwerks eine riesige Bandbreite an Erfahrungen mit.

Markus! Herzlichen Glückwunsch zu einem weiteren 1000km FAI Dreieck!
Bevor du über deinen Flug berichtest, lass uns doch kurz wissen, wie du zum Segelflieger wurdest.

Fliegen habe ich 1977 angefangen, auf einem kleinen Flugplatz in Löchgau. Eigentlich die klassische Segelfliegerkarriere, mein Vater war Segelflieger. Urlaube, Sommerlager mit dem Club und da war schnell klar, dass ich es auch probieren möchte. Zuvor natürlich eine Modellbaukarriere gehabt, da sich aber meine Flugzeit zur Bauzeit, oder besser Reparaturzeit des Modells, umgekehrt reziprok verhielt war es nur logisch es mit dem manntragenden Sport zu versuchen 😊

Nachdem du mit dem Segelfliegen begonnen hast, hat dich das Streckenfliegen gefesselt. Was fasziniert dich an der sportlichen Ausführung des Sports besonders?

„ich habe keine Ahnung wo ich hinwill, aber ich möchte als erster dort sein“

Schwer da eine konkrete Antwort zu geben. Ich bin derselbe Mensch im Cockpit, egal ob ich bei Blauthermik um den Platz fliege, bei Meisterschaften oder Bundesliga fliege oder eben größere geplante Strecken.
Ständig ist man am Optimieren, will so gut als möglich Steigen, schneller irgendwo hinkommen. So nach dem Motto „ich habe keine Ahnung wo ich hinwill, aber ich möchte als erster dort sein“ 😊. Natürlich hat man Zeit rauszuschauen, gehört ja auch im Zuge der taktischen Flugplanung dazu, aber zurücklehnen und nur genießen geht für mich maximal im Doppelsitzer. Natürlich ist eine Passage am Aletschgletscher, der Flug über die Hegauvulkane am Bodensee oder eine Ostwelle am Schwarzwald etwas Besonderes, aber immer ist da der Blick auf die Flugwegoptimierung.
Und jetzt sind wir am Reiz des Streckensegelfluges. Es geht immer um die Erfüllung selbstauferlegter Aufgaben. Selten im Leben hat man die Chance sein Ziel so genau vor Augen zu haben und gleichzeitig auch zu sehen „wo man herkommt“.  Das Gefühl, wenn deine Annahme sich als richtig erweist, du gutes Steigen findest, oder du eine Schlüsselstelle meisterst von der du wusstest das sie schwierig wird ist einfach ein geniales.
Und ich liebe es von der „Ölspur“ abzuweichen, neue Wege zu versuchen und Gegenden zu besuchen in welchen ich noch nicht war.
Das führt dann automatisch zu so Aktionen, dass ich zum Trainingslager für die EM dieses Jahr über den ersten Mai, in Leszno nicht mit dem Auto hinfahre, (wäre mir zu weit gewesen) sondern einfach die Fritzemil schnappe und hinfliege. Und da war dann plötzlich so ein Moment, ich bin niedrig über dem Erzgebirge, weiß ich muss den Sprung nach Tschechien wagen, schaue in 300m Grund nach unten und denke plötzlich „wie schön ist denn das hier“. Unerwartet, liegt hier das Elbsandsteingebirge rum… Kann man erst so richtig tief geniessen 😊

Von der ,,Ölspur'' abzuweichen- das scheint auch dein Motto bei dem großen Flug gewesen zu sein. Woher stammt die Idee? In den Kommentaren zu deinem Flug sieht man, dass diese scheinbar schon länger existiert?

Tilo hat tatsächlich eine alte Mail von mir ausgegraben mit einer SeeYou Planung die von 2010 war. Die Idee ist noch etwas älter die konkreten Planungen sind aus dieser Zeit. Angefangen hat das mit meiner nach Südfrankreich-Fliegerei. Da ist ein Weg über den Napf ins Simmertal eine Option und die Idee war an dieser Stelle einfach abzubiegen.
Die Hauptidee allerdings war die Unverschämtheit (sorry Schunki) dass die Alpen so unglaublich lange am Abend gute Bedingungen bieten. Der Plan ursprünglich war, zum Ende der Thermik in den Alpen nochmals auf 3500m zu kommen und die letzten 150km im Gleitflug nach Hause zu kommen. Dies hätte meinen Tag unglaublich verlängert.

Am 25.05.2018 bist du bereits eine ähnliche Strecke geflogen. Es scheint fast so als sei díeser Flug der ,,kleine Bruder'' des großen Dreiecks. Hattest du damals schon einen ähnlichen Plan gehabt?

Nein, geplant sprich angemeldet war das nicht. Das war aber der erste Versuch den Sprung vom Jura in die Alpen ohne den Napf (Mittelgebirge vor Thun) zu machen. Und das hat mich bei meinem Vorhaben bestärkt. Da ging es aber im Simmertal nicht über 2700mNN und das reicht vielleicht für die Locals in das Wallis zu kommen, für mich nicht 😊

Der Anfang des Fluges sieht spannend aus! Bis kurz vor Hayingen schien das Wetter noch nicht richtig gezündet zu haben. Im Satbild scheint es sogar zu Beginn noch blau gewesen zu sein. Nach welchem Kriterium hast du entschieden, dass du bereits vor der Entwicklung der ersten schönen Wolken startest?

Verzweiflung ? Nein, Idee war Start gegen 9:10h Abflug in 1600m gegen 9:30 und dann Gleitflug Richtung Blaubeuren. Da dachte ich, gegen 10:00 sollte die Thermik doch losgegangen sein (beide Wetterberichte, Skysight wie auch der DWD hatten Steigen ab 9:30Uhr vorhergesagt). Dennoch war ich zu Beginn im Zweifel ob das wirklich auch geht. Aber der erste Bart war ja schon 1m/s im Mittel bis auf unerwartete 1200mNN. War aber schon komisch, direkt vor dem Start noch im OGN gecheckt und gesehen, dass die Hahnweide und der Hornberg noch alle am Boden warten.

Bis Querab Neuchatel schien das Wetter dann prächtig gewesen zu sein. Du kennst du Strecke bestens von vielen Flügen nach Südfrankreich. Ist diese Ecke oft das beste Gebiet im Jura?

Es gibt einen alten Spruch dass die Schweizer nie Segelflugweltmeister werden, da sie wegen des Juras das Kurbeln verlernen. 😊 Und wenn es mal ein Schweizer wird, dann ist er Belgier 😊(@Bert Schmelzer, )… Der Jura konvergiert sehr häufig und dann geht es sehr viel geradeaus. Eigentlich bolzt man da nicht lang, ich zumindest nicht, sondern versucht möglichst lange oben dran kleben zu bleiben.  Ich teile den Jura in Nordjura und Südjura, die Grenze ist irgendwo beim Lac du Joux, relativ willkürlich von mir gewählt. Und da kann ich nicht sagen, die Ecke ist immer besser oder dort geht es immer schlechter. An wirklich guten Tagen geht er über die ganze Länge und wird nur im Südwesten dann immer blauer. Sicher gibt es aber Punkte welche besser als andere sind. Und die Gegend um den Lac du Joux gehört eindeutig zu den besseren Punkten. Dort hat man eigentlich immer einen guten Einstieg Richtung Südjura oder eben für die Traverse.

Viele Flüge von Markus führten ihn bereits übers Jura, einige sogar weiter nach Südfrankreich

Der Sprung vom Jura zu den Alpen sieht lange aus! Warst du dir beim Abflug sicher, dass es klappen wird und dir die Inversion nicht zu Verhängnis wird, falls du zu tief kommst?

Ich war mir eigentlich ganz sicher, Gruyere Flugplatz hatte ich +500m Ankunftshöhe und die Wolkenentwicklung war gut zu erkennen. Womit ich mir nicht sicher war, war die Basishöhe im Simmertal. Um ins Wallis zu kommen muss man meiner Meinung nach 3000+ Meter haben, die Pässen (Gemmi und Sanetsch) sind verdammt hoch und breit. Wobei Gemmi ist eigentlich kein Pass welchen man vom Simmertal anfliegen kann (da muss man vorher über deutlich höhere Buckel fliegen), in der Gegend kann man aber Traversieren.

Vorbei am Genfer See in Richtung Alpen

Letztendlich bist du sicher in den Alpen angekommen. Wie war das Gefühl? War der Sprung eine Schlüsselstelle im Flug oder gab es eine andere kritischere Stelle?

Dies war sicherlich die Schlüsselstelle. Ich hatte mir in der Zeitplanung 45 Minuten gegönnt. Klingt nach viel, aber das beinhaltet ja auch das Steigen von geplanten 1300m auf 3200m und etwas Strecke. Letztlich war es aber einfacher als erwartet, wobei ich beim nächsten Mal schon auf die Erfahrung dieses Fluges zurückgreifen kann. Rückblickend war ich etwas zu vorsichtig beim Reinfliegen ins Simmertal. Das versteckt sich in jeder Richtung hinter einem Bergzug, fast wie Mordor in „Herr der Ringe“. Wenn man von Westen kommt sieht man die Flugplätze Saanen und Zweisimmen nicht, ich wusste nicht genau wo die liegen. Und so konnte ich mich nicht auf ihnen abstützen und ich bin sehr vorsichtig gewesen.

Die Fotos der Gletscher sind gigantisch! Findest du bei solchen Flügen Zeit die Landschaft zu genießen oder bist du ständig am Optimieren des Flugweges?

Natürlich schaut man raus und ist überwältigt. Aber eigentlich schaut man auch schon auf den nächsten Flusen und überlegt sich wie hoch, wie schnell und welche andere Optionen habe ich. Aber der Aletsch ist immer ein Highlight, andererseits kenne ich den schon. 😊Highlights im Flug sind eher die unerwarteten Dinge. Ein „Noname“-Gletscher im Gegenlicht, ein blauer Bergsee im Eis oder auch mal eine Kapelle auf einem unbekannten Berg bei welcher man sich wundert, aus welchem Grund die Talbevölkerung den Aufwand betrieben hat, das Ding dort zu bauen…

Majestätische Gletscher versüßen die Kilometerjagt von Frank

Bevor du den Flugplatz Aalen erreicht hast, musstest du nochmal kurz den Motor nutzen. Aber bei genauer Betrachtung war das kein Problem, denn dein Dreieck war bereits geschlossen.
Was steckte hinter der Überlegung den Abflug am Morgen nach Süden zu verlagern? Es scheint fast so, als wäre alles geplant gewesen!

Der Abflug mit Giengen war schon so geplant, war ein wichtiger Baustein. Wie gesagt, eigentlich wollte ich den Endanflug aus den Bergen machen. So habe ich den Abflug um 20km nach Süden verlagert, somit war bei letzter Thermik im Lechtal auf geplante, erhoffte 3300m NN, noch 135km zu fliegen. Giengen liegt auch noch 100m tiefer als Aalen. Somit war die rechnerische Gleitzahl um 48. Oder anders gesagt bei Gleitzahl 55 (ich habe ca. 10-15km/h Gegenwind erwartet und in der Regel hat man zu Beginn im Voralpenland etwas erhöhtes Fallen), hätte ich eine Sicherheit von 350m. Wäre ein langer Hals geworden. Für Aalen wird das nichts, ohne zusätzliche Thermik bin ich noch nie heimgekommen. Allerdings überrascht einen das oberschwäbische manchmal abends mit unerwarteter aufsteigender Luft.
Das mit dem Motor ärgert etwas 😊. Ich hatte plötzlich im Kopf, dass dies ein deutscher Klassenrekord werden könnte. Stefan Langer hielt den für die OFFENE Klasse mit der ASG 29. Schande über uns. Der Rekord stand auf 114 km/h und ich war bei 119km/h. So habe ich die Höhe gegen Zeit getauscht und bin in 385m Grund gefinished. Aus dieser Höhe bin ich dann nicht mehr wegegekommen, auch weil mir 0,8m/s zu wenig war 😊.
Und das Gemeine zum Schluss. Christian Mäx hat mit seinem tollen Flug den Rekord auf 119,6 km/h am selben Tag gehoben. War ich leider ein paar Minuten zu langsam.

Nach dem Flug ist bekanntlich vor dem Flug :) Hast du noch weitere fliegerische Pläne, die nicht ganz ,,der Norm‘‘ entsprechen und nur auf die richtige Wetterlage warten?

Ich habe noch ein paar Gedanken für andere Wege nach Südfrankreich, die der Bestätigung harren. Auch in die Pyrenäen will ich und Pierre de Broqueville in Bordeaux besuchen. Dafür brauche ich aber 4 Tage mit Hin- und zurück.

Und natürlich, denke ich auch daran das Dreieck noch ein bisschen zu vergrößern. Ein „unerfüllbarer“ Traum denke ich wäre ein Dreieck um Genf rum, so ähnlich wie es Bert Schmelzer gemacht hat. Kriege ich aber irgendwie nicht rein und die Schwierigkeit bei Chambery bzw. der Luftraum um Genf wird zu viel Zeit kosten.

Letztlich ist es beim Streckenfliegen aber immer Patchwork. Man muss es versuchen und beim nächsten Mal ist es dann schon deutlich einfacher, da man sich auf die gemachten Erfahrungen abstützen kann. Wenn man sich Europa so ansieht könnte ich mir auch einen Wandersegelflug entlang der Alpen, dann Slowakei mit der Tatra und der Sprung nach Rumänien vorstellen. Über Ungarn zurück. Leider liegt da ein Stück Ukraine dazwischen, scheint mir für die nächsten Jahre eher unwahrscheinlich zu sein dort lang fliegen zu dürfen.

Vielen Dank, Markus, dass du so detailliert über dein Meisterwerk berichtet hast! Für die kommenden kreativen Flüge wünsche ich dir bestes Gelingen und allzeit gute Thermik!