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Große und kleine Seen

Bernd Schmid berichtet von langen Tagen und endlosen Wolkenstraßen über den Wäldern und Seen von Finnland.
Große und kleine Seen

Zwischen Ende Mai und Mitte Juni hat Bernd Schmid mit tollen Flügen und grandiosen Bildern aus Finnland mehrere Tagessiege eingefahren. Hier erzählt er von seinem Erlebnis.


Finnland - Das Land der Wälder, großen und kleinen Seen und der (un)begrenzten Möglichkeiten.

Warum Finnland?

Auf diese Frage kann ich einige Überlegungen nennen. Der initiale Punkt war sicherlich die Einladung von „Silva“ Silvernoinnen, während der Vor-EM in Stalowa Wola 2018, an den Räyskälä-Masters 2018 teilzunehmen. Leider passte dieser Termin nicht in meine Planungen für die Saison 2018. Wolfgang Janowitsch hatte diesen Wettbewerb schon ins Auge gefasst und ist nach Räyskälä gefahren. Sein Bericht im Segelfliegen-Magazin 1/2019 „Urlaub bei Freunden“ bestärkte mich diesen „weißen Fleck“ auf meiner segelfliegerischen Landkarte zu schließen.

Wenn man im Buch der Segelfluggeschichte zurückblättert, findet man die fantastischen Flüge in Finnland von Hans-Werner Grosse in den 1980ern. Damals war Finnland im Sommer sicherlich das „Namibia“ auf der Nordhalbkugel, anbetracht der Strecken, die Hans-Werner zu dieser Zeit geflogen ist. Räyskälä war mehrfacher Austragungsort diverser Welt- und Europameisterschaften. Die erste 1000km Aufgabe in einem Wettbewerb wurde von Räyskälä aus ausgeschrieben und geflogen.

Mit meinen Freunden Charlie Bauder, Joachim Krais und Kurt Sautter meldeten wir uns zu den Masters im Jahr 2020 an. Leider gelang es uns erst im dritten Anlauf 2022 die geplante Finnland-Reise in die Tat umzusetzen, weil uns das Virus immer wieder einen Strich durch Rechnung gemacht hatte.

Vorbereitung

Welche Möglichkeiten gibt es von Deutschland nach Finnland zu kommen?
Erste Route: Fahrt nach Travemünde und mit der Fähre nach Helsinki. Zweite Route: Fahrt nach Stockholm und mit der Fähre nach Turku. Dritte Route: mit dem Auto über Polen nach Tallinn (Estland) und mit der Fähre nach Helsinki. Ein Tipp am Rande: Volltanken bevor man auf der Fähre einschifft. Die Spritpreise sind in Finnland noch um einiges höher als bei uns.

Das Team: Kurt, Anette, Brigitte, Joachim, Kathrin und Charlie auf Deck der Finnstar

Die erste Route ist sicherlich die angenehmste und komfortabelste aus meiner Sicht. Die Überfahrt dauert ca. 30 Stunden auf der meist ruhigen Ostsee. Wichtig zu wissen, ist es, dass Finnlines einen Frühbucherrabatt anbietet, der die Kosten für Hin- und Rückfahrt einigermaßen erträglich macht.

Route Nummer 2 hat den Vorteil einer kürzeren Fährfahrt, der mit einer wesentlich längeren Autofahrt verbunden ist. Ob sie preisgünstiger ist als die Route 1, habe ich nicht ermittelt. Es fallen auf jeden Fall noch Mautgebühren über den Öresund und einiges an Spritkosten und ggf. eine Übernachtung zu den Fährkosten an.

Variante 3 macht sicherlich Sinn, wenn man sich Zeit nimmt, gerne Auto fährt und zwei Übernachtungen in den Hansestädten Danzig, Riga oder Tallinn mit einplant. Die Fährverbindung zwischen Tallinn und Helsinki wird von mindestens 3 Betreibern angeboten. Sinnvoll ist es auch bei dieser Variante, sich um einen Frühbucherrabatt zu kümmern.

Übernachtung

Der Flugplatz Räyskälä bietet zwei unterschiedliche Möglichkeiten zur Übernachtung. Das kleine Motel am Flugplatz bietet Zimmer an. Auch da empfiehlt es sich, rechtzeitig mit Anu Vahteristo, der Geschäftsführerin des Flugplatzes, Kontakt aufzunehmen, weil die wenigen Zimmer sehr begehrt sind.

Blick auf unsere Sauna und der Anlegestelle am See

Neben dem Motel ist ein großer Campingplatz vorhanden, der sich auch zum Zelten eignet. Die Infrastruktur des Campingplatzes ist sehr gut und die obligatorische Sauna ist natürlich auch vorhanden. Der angrenzende See bietet allerlei Möglichkeiten, wie Rudern, Schwimmen oder auch nur die Abkühlung nach dem Saunagang.

Über diverse Internetportal können auch Blockhütten in der näheren Umgebung des Flugplatzes gemietet werden, die meist mit einer sehr gute Ausstattung angeboten werden, wie eigene Sauna, Zugang zum See, diverse Grilleinrichtungen, Angelequipment, Rudelboot und vieles mehr.

Ein Blick in den Wohnzimmerbereich unserer Blockhütte mit offenem Kamin
Wichtiger Punkt: genügend Mückenspray mitnehmen oder vor Ort kaufen! Ab Anfang Juni ein absolutes Muss.

Endlich vor Ort

Nach dem wir fast dreit Tage unterwegs sind, kommen wir nach Verlassen der Fähre und einer zweistündigen Fahrt in Räyskälä an. Ein Hängerabstellplatz ist bereits für uns reserviert, die Anmeldung bei Anu Vahteristo und ein allgemeines Briefing von Esko Lethonen sind schnell erledigt. Ein tägliches Wetterbriefing wird um 09:15 Uhr für alle Piloten angeboten. Auch das Thema Luftraum klärt sich auf. Unter airavia.fi wird von der finnischen Luftfahrtbehörde die Luftraumsituation der nächsten 2 Tage im Internet veröffentlicht.

Der Flugplatz selbst besitzt 4 befestigte Start- und Landebahnen, wie auf dem nächsten Bild ersichtlich ist. 2 Schleppmaschinen stehen bereit, um einen in die Luft zu bringen. Der notwendige F-Schlepp kann täglich im Restaurant gekauft werden. Ansonsten fällt für die Eigenstarter eine Landegebühr von 10 Euro an. Das Abstellen der Hänger kostet 100 Euro pro Woche, weitere Gebühren gibt es nicht. Der Funkverkehr in Englisch ist auf ein Minimum beschränkt, wie wir es auch aus Frankreich kennen.

Räyskälä Flugplatz, umgeben von Wald und Seen

Ein kleines Restaurant bietet Verpflegung in Form eines Buffets an, die man vorbestellen sollte. Wichtig ist, die Öffnungszeiten zu kennen. I.d.R. schließt das Restaurant um 19:00 Uhr.

Bei Eigenverpflegung ist zu beachten, dass es in Räyskälä nur einen kleinen Lebensmittelladen gibt, der das aller Notwendigste anbietet. Die größeren Einkaufsmärkte für entsprechende Einkäufe liegen ca. 30 Autominuten entfernt. Essengehen in Restaurants gestaltet sich auf dem Lande schwierig und ist nur in den größeren Städten möglich.

Die Umgebung von Räyskälä bietet vielfältige Möglichkeiten zum Wandern und Radfahren. Deshalb sind Wanderschuhe und Fahrrad bzw. Mountainbike unverzichtbare Begleiter bei einer Finnlandreise. Die Wanderwege sind sehr gut markiert und beschriftet, man könnte meinen der schwäbische Albverein wäre hier Pate gestanden. Nur noch ein bisschen besser als zu Hause. Die Endmoränenlandschaft zeigt sich abwechslungsreich in ihrer Hülle und Fülle, nicht nur aus der Luft.

Naturschutzgebiet in der Nähe von Forssa

Wir wurden sehr freundlich empfangen und die Hilfsbereitschaft war beeindruckend. Nicht zu letzt stellten wir fest, dass viele Finnen der deutschen Sprache mächtig sind und es auch bevorzugt nutzen, wenn sie merken, dass ihr gegenüber aus Deutschland kommt. Mit Englisch kommt man überall zu recht.
Ausflüge nach Helsinki, Turku, Hemmelinna sollte man auch einplanen. Es gibt jede Menge zu erleben und zu bestaunen. Auch die sehr wechselhafte Geschichte Finnlands hinterlässt beeindruckende Eindrücke.

Wer zusätzlich Zeit in Helsinki verbringen möchte, erlebt eine lebhafte und pulsierende Hauptstadt, mit vielen Attraktionen. Eine Tagestrip nach Tallinn ist ein Muss. Da sich Finnland nördlich des 60sten Breitengrad befindet, wird es in der Sommerzeit nicht richtig dunkel. Auch daran mussten wir uns gewöhnen. Stellt aber kein Problem dar.


Luftraumstruktur und Luftfahrkarten kannst du dir in den diversen Internetportalen und Luftfahrershops besorgen. Ein erster Blick auf die Luftraumstruktur wirft sofort die Frage auf, geht Segelfliegen überhaupt? Muss ja möglich sein, über 1500 Finnen praktizieren es ja auch.

Ziemlich kompliziert der finnische Luftraum und wo bitteschön können wir fliegen?

Es empfiehlt sich, die Internetseite airavia.fi zur täglichen Flugvorbereitung zu nutzen, um die aktiven D- und R-Lufträume zu kennen. Das macht ein unbeschwertes Fliegen möglich. Des Weiteren ist den Kontakt mit den kontrollierten Flugplätzen kein wirkliches Problem. Es werden i.d.R. Durchflugfreigaben auch ohne Transpondernutzung gewährt.

Während unseres Aufenthalts war das Wetter geprägt durch intensive Höhentiefaktivität. Entsprechend war die Luftmasse thermisch sehr aktiv. Leichter Hochruckeinfluss am Boden stellte oft sehr gute Bedingung sicher. Einen Tag mit frühem Start hatten wir leider nicht. Oft beginnt der thermische Tag mit einer Basis um 700m über Grund. Die Wolken gehen sehr zuverlässig. Im Tagesverlauf steigt die Basis kontinuierlich an und erreicht zwischen 1500 -2000 mNN und auch mehr (2500mNN). Spätes Starten war meist verbunden mit spätem Landen. Oft waren die Bedingungen nach 19:00 Uhr Ortszeit (plus 1 Stunde zur MESZ) noch phänomenal mit klar strukturierten Wolkenstraßen und sehr guten Steigwerten.

Die Steigwerte sind entsprechend gut bis sehr gut. 4–5 m/s sind keine Seltenheit. Bedingungen, wie wir sie vom Ansatz her vom Fläming und der Heide kennen, denn der Grund ist nur ca. 150m über NN.

Der Wind ist sicherlich ebenfalls ein Thema, der auf Grund der Wetterlage, teilweise stark war (bis zu 45 km/h) und somit zu Wolkenstraßen seinen geschätzten Beitrag leistete.

Beeindruckend war auch die Sicht, die gefühlt von Pol zu Pol ging, d.h. oft über 100 km. An schlechteren Tag war sie immer noch über 40 km.


Eine Frage, die sich anhand der Bilder unserer Flüge, konkret aufdrängt: wie sieht es mit Außenlandemöglichkeiten aus? Außenlandemöglichkeiten sind in den Landesteilen, die durch Landwirtschaft geprägt sind, überhaupt kein Problem. Das gilt im Allgemeinen für den Süden, Westen und Nordwesten Finnlands. Richtung Nordosten und Osten im Gebiet der großen Seen und Wälder wird es schon diffiziler, aber nicht aussichtslos. Meist findet sich in der Nähe der Uferbereiche die ein oder andere Landwirtschaft, die ein sicheres Außenlandefeld bereithält.

Flüge an die Küstenbereiche der einzigartigen Insellandschaft an der Küste Finnlands, den sogenannten Schären, waren mehrfach möglich und sind mehr als beeindruckend.

Resümee

Die Reise nach Finnland hat sich rund um gelohnt, fliegerisch, kulturell und vom Erlebnis her. Kurz um: Finnland ist eine Reise wert, trotz des Aufwands der Anreise. Wir haben unsere Reise durch eine Fahrradtour durch Schären vor Turku, dem sogenannten Archipelago Trail, erweitert und waren sehr beeindruckt von Landschaft und Tierreich. Ein weiterer Tipp, der sich mindestens genauso lohnt, wie das Fliegen in Räyskälä oder von einem anderen Flugplatz Finnlands.