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Schempp-Hirth | Der neue Ventus E und Visionen für die Zukunft

Wir sprechen mit Tilo Holighaus über den Ventus E, FES-Nachrüstungen für Discus und Duo Discus und eine mögliche Spannweiten-Vergrößerung des Ventus.
Schempp-Hirth | Der neue Ventus E und Visionen für die Zukunft

Tilo Holighaus gibt uns einen Einblick in die Umstrukturierung der Firma. Wir sprechen über die Philosophie des neuen Ventus E und über Visionen für die Zukunft. Wir treffen Tilo in seinem Büro in Kirchheim/Teck.

Hallo Tilo. Schempp-Hirth und der Name Holighaus sind unzertrennlich. Ein paar Worte zu euch?

Mein Vater Klaus Holighaus prägte als Konstrukteur, Pilot und Geschäftsmann seit den späten 60er Jahren die Firma und brachte viele erfolgreiche Flugzeuge auf den Markt. Als er 1994 verunglückte war für meine Mutter Brigitte, mein Bruder Ralf und mir klar, dass wir die Verantwortung in der Firma übernehmen wollten. Nach fast 30 Jahren haben wir inzwischen die operativen Arbeiten in neue Hände gelegt, sind aber weiter mit ganzem Herzen involviert, um beispielsweise mit der neuen Geschäftsführung Strategien zu entwickeln oder Schempp-Hirth nach außen zu vertreten. Wir teilen auch gerne mit der Belegschaft besondere Anlässe wie kürzlich die Auslieferung unseres 400. Arcus. Engagement ist bereits in die nächste Generation übergegangen - so bringt sich beispielsweise meine Tochter Amelie in den sozialen Medien ein.

Der 400. Arcus wurde erst kürzlich ausgeliefert

Von außen betrachtet ist bei euch momentan viel im Wandel. Klär uns doch mal aus erster Hand auf.

Über Jahrzehnte hinweg waren wir mit den Ingenieuren aus meines Vaters Zeiten, also mit Helmut Treiber, Ebi Schott, besonders aber auch Biggo Berger und vielen weiteren ein sehr eingeschweißtes Team. Mittlerweile haben sich viele in ihren wohlverdienten Ruhestand verabschiedet und es liegt nahe, dass deren Erfahrung nicht so leicht ersetzbar ist. In vielen Bereichen konnten wir die Lücken intern schließen. Es hat sich inzwischen jedoch auch sehr viel gewandelt. Daher sind wir in der Familie nach vielen Überlegungen zu dem Entschluss gekommen, sich auch extern umzusehen, um die Firma für die Zukunft neu aufzustellen.

Seid ihr fündig geworden?

Ja, da sind wir sehr froh drüber. Wir haben eine Menge Leute ins Boot holen können, welche Schempp-Hirth optimal mit neuem Wissen ergänzen. Mit Sascha Costabel zum Beispiel haben wir jemanden gefunden, der hervorragendes Know-how in der Prozessoptimierung hat. Ganz zu Anfang seiner Laufbahn mal mehrere Jahre in einem LTB Erfahrung sammelnd führte ihn sein Weg dann später im Bereich der Luftfahrt in die Entwicklung und ins Projektmanagment. Viele seiner technischen Innovationen und Patente sind heute in Großflugzeugen im Einsatz. Und Sascha ist bereit, Verantwortung zu übernehmen - alles eine enorme Bereicherung für uns. Als neuer Geschäftsführer übernimmt er bei uns alle operativen Tätigkeiten. Auch im kaufmännischen Bereich haben wir mit Frerk Frommholz äußerst kompetente Unterstützung bekommen.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Umstrukturierung?

Zunächst sind die heftig steigenden Kosten für Material und Arbeiten ein großer Punkt. Unseren Einkauf so zu optimieren, um hier nachhaltig für die Zukunft gewappnet zu sein, ist eine enorme Aufgabe.

Ein weiterer Punkt ist der Wissenstransfer. Wie erwähnt, haben die Herstellungsprozesse mit unserem eingeschweißten Team lange Zeit gut funktioniert. Allerdings haben wir zugelassen, dass dieses enorme Wissen in einzelnen Köpfen verankert war. Wir arbeiten nun viel daran, Wissen aus den Köpfen in die Firma zu holen. Mittlerweile konnten wir bereits viele Strukturen und Prozesse dahin optimieren, dass dieses Know-how für jeden zugänglich ist. So ist es nun zum Beispiel einfacher, neues Personal effizient einzuarbeiten. Gleichermaßen war es das Ziel, dass sich jeder Mitarbeiter in dieser Struktur wiederfinden kann, Sinn darin sieht und die Arbeit in einer aufgeräumten Atmosphäre gerne macht.

Oftmals hat eine interne Umstrukturierung auch seine negativen Seiten.

Das stimmt leider. Uns war von Anfang an bewusst, dass nicht jeder eine derartige Umstrukturierung mitmachen wird. Wir haben gute Leute verloren. Dennoch ist es uns durch erfreulich viele gute Neuzugänge gelungen, neues Wissen und Know-how in die Firma zu holen, dabei die Zahl unserer Mitarbeiter zu steigern und durch zahlreiche Schulungen weiter zu qualifizieren. Damit haben wir uns nachhaltig für die Zukunft gerüstet.

Eine Frage muss hier noch gestellt werden. Mit Michael Greiner habt ihr nun jemanden an Bord, der sich bereits bei Alexander Schleicher verewigt hat. Was sind seine Aufgaben bei euch?

Michael ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, neues und sehr wertvolles Wissen in die Firma zu bekommen. Zuletzt lange in der Forschung an der Uni Stuttgart tätig haben alte Freundschaften aus Akaflieg Zeiten mit unserem Ingenieurteam um Christoph Wannemacher eines zum anderen gebracht. Wie Michael mir neulich schilderte hat es ihn einfach gereizt, mal wieder etwas Theoretisches in die Praxis umzusetzen. Neben anderen Projekten arbeitet er aktuell beispielsweise zusammen mit Andreas Lutz am Elektrosystem des neuen Ventus E.

Michael führt also keine Regie für ein neues Flugzeug?

Nein. Generell haben wir neue Entwürfe schon immer im Team gemacht, was sich bei uns sehr bewährt hat.

Dann kommen wir mal zu eurem neusten Projekt, deem Ventus E. Wie kam es zu der Idee?

Prinzipiell war der Weg in die Elektrofliegerei kein einfacher. Als damals das FES System von LZ-Design aufkam, war ich von Anfang an ein Fan. Dennoch musste ich einiges an Überzeugungsarbeit leisten, das Konzept bei uns in der Firma umzusetzen. Aber das hat mir Spaß gemacht und wie man an weit über 100 FES Flugzeugen von Schempp-Hirth erkennen kann: Es hat sich gelohnt! Hier war irgendwann klar, dass ein elektrischer Eigenstarter folgen wird.

Habt ihr von der Erfahrung des FES-Systems profitieren können?

In der Tat. Zunächst sieht das FES am Flugzeug sehr einfach aus, ist aber prinzipiell sehr komplex. Im Gegensatz zu einem Modellflugzeug mit Propeller in der Schnauze, gab es hier anspruchsvolle Themen wie Sicherheit, Zulassung und Umsetzung zu bewältigen. Herausgekommen ist ein praxistaugliches System für den fliegerischen Alltag. Von all diesen Erfahrungen profitieren wir beim Ventus E enorm.

Auf dem deutschen Segelfliegertag konnte man das System zum ersten Mal bestaunen. Kommt das Antriebskonzept aus eurem Haus?

Nein, wir wollen das Rad in der Elektrofliegerei nicht neu erfinden, sondern uns auf die optimale Integration in den Ventus konzentrieren. Das Antriebskonzept stammt von der Firma Solo, mit der wir schon seit über 40 Jahren eng zusammenarbeiten - Stichwort Turbos und Eigenstarter. Hier herrscht großes gegenseitiges Vertrauen und wir haben die Entwicklung deren elektrischen Antriebskonzeptes intensiv verfolgt. Nun ist die Zeit reif und der Ventus E baut auf der Erfahrung auf, die Solo schon jahrelang in der Entwicklung des Systems gesammelt hat. Das Ziel war es so viel wie mögliche schon Vorhandenes zu verwenden.

Auf den ersten Blick ähnelt das System der JS3 RES.

Das stimmt zum Teil auch. Die Batterien sind nahezu identisch, wir platzieren sie allerdings anders. Der Motor ist größer als bei der JS3, da selbst der Sport Rumpf des Ventus mehr Platz hergibt. Es ist der gleiche Motor wie bei der AS33 Me und AS34 Me. Dort sieht man ja bereits, dass es gut funktioniert. Beim Regler setzen wir auf den ursprünglich von Solo konzipierten Regler mit Wasserkühlung. Wir legen einen großen Fokus darauf, unseren vorhandenen Platz im Rumpf auszunutzen, um das System dahingehend zu optimieren.

Auch der Propeller sieht größer aus als bei der Konkurrenz.

Genau. Der Platz im Rumpf gibt es her und der größere Motor liefert genügend Drehmoment. Dadurch bekommen wir ein sehr effizientes System, welches obendrauf auch noch merklich leiser sein sollte, da die Propellerspitzen langsamer drehen.

Ihr habt bestimmt die Vor- und Nachteile von den Batterien im Rumpf abgewogen?

Ja, doch die Entscheidung ist ziemlich schnell gefallen. Durch unsere FES Flugzeuge haben wir sehr viel Erfahrung mit Batterien im Rumpf und wissen, dass dies ein sehr geeignetes Konzept ist.

Wir sind der Überzeugung, dass die Auslegung des Ventus eine wirklich geeignete Plattform für einen Elektro-Eigenstarter ist. Er bietet viel Reserven in der Struktur und hat etwas größere Flächen. Letzteres verhilft zu einer größeren Bandbreite bei der Flächenbelastung und macht das Flugzeug insgesamt leichter.

Größere Flächen sind leichter als kleinere?

Das hat mit dem strukturellen Aufbau zu tun. Durch die etwas größere Bauhöhe im Holmbereich können wir uns ein paar Rovings sparen.

Interessant. Zurück zu den Batterien. Mehr Reserven in der Struktur bedeutet keine Zuladungsprobleme?

Genau das ist der Fall. Batterien wären aus struktureller Sicht besser im Flügel untergebracht, wenn man eh schon ein Problem bei der Zuladung hätte. Jedoch haben wir das durch die Reserven beim Ventus erfreulicherweise nicht. Hinzu kommen drei wesentliche Vorteile von den Batterien im Rumpf:

  • Man kann die Batterien an einen Ort bringen, an dem es Steckdosen gibt. Momentan hat ein Flugplatz selten die geeignete Infrastruktur für Elektrosegler. Das erleichtert den Alltag, speziell beim Wandersegelflug, sehr.
  • Beim Ventus stand immer eine große Handlichkeit im Fokus und die beginnt schon am Boden. Ganz nach dem Motto: "Der beste Flug ist der, den man macht", versprechen Batterien im Rumpf ein leichtes Handling und keine schweren Flächen beim Aufrüsten. 
  • Letztlich kann man die Batterien vorgewärmt einbauen. Das garantiert auch großen Flugspaß im Winter, da Batterien lange Zeit zum Auskühlen brauchen. Ich bin schon bei -8° am Hang geflogen und als ich nach 5 Stunden den FES brauchte, hatten die Batterien immer noch 10°. Wären die Batterien über Nacht im Hänger, sind sie vor dem Start kalt. Wie jeder weiß: Kälte wirkt sich negativ auf Kapazität und Lebensdauer aus.

Anscheinend bietet der Ventus ordentliche Platzreserven im Rumpf. Wären noch größere Batterien möglich?

Grundsätzlich ja, jedoch machen wir das momentan bewusst nicht. Zunächst greifen wir auf ein bewährtes System zurück und warten ab, was die Zukunft bringt. Man muss auch beachten: größere Batterien bedeuten eine größere Masse und damit ein schlechteres Handling, das nicht der Natur des Ventus entspricht.

Die größeren Flächen scheinen einen großen Spielraum bei der Flächenbelastung zu bieten.

Das stimmt. Wenn man es wirklich ausreizen möchte, kann man sogar nur mit einer Batterie fliegen, ist dann allerdings nicht mehr eigenstartfähig. Wir sind sicher, dass der fertige Ventus E mit zwei Batterien unter 400 kg wiegen wird. Dies bei einer Flügelfläche von 10,84 m². Mit zwei Batterien und einem 80 kg schweren Piloten werden wir uns deutlich unter einer 45er Flächenbelastung befinden; mit nur einer Batterie sogar bei nur rund 42, das wirklich herausstechend auf dem Markt der Elektro-Eigenstarter ist.

Ähnlich wie bei anderen aktuellen 18m Fliegern hattet ihr bei eurem Quintus (Offene Klasse), sehr große Flächenbelastungen um die 60 im Fokus. Warum setzt ihr nun auf eine größere Flügelfläche und etwas weniger Flächenbelastung? 

Tatsächlich sah der neue Ventus in unseren Köpfen zuerst ganz anders aus. Ähnlich der aktuellen 18 m Konkurrenz, mit möglichst kleinen Flächen und einer sehr hohen Flächenbelastung. Wir haben viel Spaß daran, neue Entwürfe bis ins kleinste Detail zu denken und alle Hintergründe ganz genau zu analysieren.

Natürlich wollten auch wir im Grundsatz ein Flugzeug, welches schneller ist und mehr Leistung hat. Doch ähnlich wie beim Arcus haben wir überlegt, was das Flugzeug denn tatsächlich schneller macht. Wir haben zunächst die vier gängigen Thermikmodelle zur Hand genommen und sämtliche IGC-files der letzten Weltmeisterschaften und anderen Wettbewerben ausgewertet. Das Ergebnis: Die Thermikmodelle sind an sich plausibel, auch wenn nur drei davon relevant sind. Doch wie verhält es sich in der Praxis? Viele Komponenten wurden hier bis jetzt einfach nicht berücksichtigt. Daraus haben wir unsere Schlüsse für den Ventus gezogen.

Bekommen wir ein Beispiel?

Zum Beispiel wird in den bestehenden Thermikmodellen der Geradeausflug-Anteil schlicht nicht berücksichtigt. Also haben wir unsere eigenen Modelle entwickelt und diese in eine Überland-Geschwindigkeitsbetrachtung integriert. Bei einem Flug gehört einfach mehr dazu, als zwischen den Bärten schnell vorzufliegen. Die Erkenntnis: Wenn man die Auslegung nur auf Flächenbelastung trimmt, bringt das auch Nachteile mit sich. Genauer gesagt nimmt die Überlandgeschwindigkeit ab einer gewissen Flächentiefe wieder ab. Weitere Details würden jetzt den Rahmen sprengen. Diese Überlegungen waren Teil einer sehr umfangreichen Forschungsarbeit in Kooperation mit der Universität Stuttgart.

Hat euch das Ergebnis überrascht? In den Köpfen sah der Ventus ja anders aus.

Ja, das hat es. Vor allem aber hat uns das gefreut. Denn dadurch standen uns ganz neue Möglichkeiten offen. Wie schon erwähnt ist eine größere Fläche etwas leichter und bringt Reserven in der Flächenbelastung mit sich. Daher stehen auch außerhalb des besten Wetterfensters ganz andere Leistungen zur Verfügung. In Verbindung mit der Aerodynamik, Geometrie und der Rudergröße verleiht der größere Flügel dem Ventus ein anerkannt gutes und sicheres Handling und eine vielfach bestätigte Thermikfühligkeit.

Das klingt einleuchtend. Wenn es jedoch wirklich schnell wird, muss der Ventus kleine Abstriche machen? Ich denke an die WM in Ungarn 2022 oder auch an Uvalde nächstes Jahr.

Wir sind sehr guter Dinge, dass der Ventus in Uvalde gut performen wird. Dort gibt es häufig Wolkenstraßen und der Geradeausfluganteil ist hoch. In Texas schleicht sich auch ganz gerne das ein oder andere schwächere Wetterfenster ein, das durchaus wettbewerbsentscheidend sein kann. In Texas sollte der Ventus mit seiner hohen Bandbreite sein Potenzial voll ausschöpfen können.

Die WM in Ungarn 2022 war in vielerlei Hinsicht speziell. Zunächst hatten wir dort eine schwache Statistik. Es gab wenig Venten im Teilnehmerfeld. Außerdem gab es in Ungarn keinen einzigen schwachen Tag, wo man wirklich leicht sein musste.

Eines will ich an dieser Stelle noch loswerden: Die anderen Hersteller bauen ebenfalls ganz hervorragende Flugzeuge. Es gibt einfach verschiedene Philosophien in der Auslegung. Wir selbst sind überzeugt, dass ein Flugzeug eine möglichst große Bandbreite an Wetter abdecken sollte. Auch im Wettbewerb ist diese Bandbreite oft entscheidend.

Noch ein schneller Exkurs zu eurer markanten Flügelgeometrie. Welche Vorteile bringt sie mit sich?

Ich denke, du willst auf die elliptischen Flächen hinaus. Ja, sie könnten in der Theorie tatsächlich in Nuancen besser sein. Die Betonung liegt hier wirklich auf Nuancen. In der Praxis überwiegt aber ein Vorteil ganz klar: geknickte Flächen kann man viel exakter bauen und verarbeiten. Wir legen sehr großen Wert darauf, unsere Flugzeuge mit einer exakten Aerodynamik, hoher Profiltreue und einer möglichst perfekten Oberflächenqualität auszuliefern. Man muss bedenken: alle Hersteller schleifen nach wie vor mit der Hand. Ähnliche Qualität mit elliptischen Flächen zu liefern, wäre ein enormer Aufwand und kaum wirtschaftlich. Mit einem Augenzwinkern: Die Flügelschleifmaschine hat leider noch keiner erfunden.

Jetzt sind wir doch etwas abgedriftet. Zurück zum neuen Ventus. Denkt ihr auch darüber nach das E System mit dem Performance Rumpf anzubieten?

Ja, das ziehen wir in Betracht. Klar ist, wenn das System in unseren kleinen Sportrumpf hineinpasst, wird es auch problemlos in dem großen Platz haben. Allerdings wollen wir nicht zu viele Projekte gleichzeitig fahren und erstmal den kleinen Rumpf in die Luft bringen. Damit werden wir unsere sportliche Wettbewerbsvariante eigenstartfähig bekommen und ziehen mit AS 33 und JS3 gleich. Wie andere Hersteller auch finden wir es einfach klasse, mit dem Wettbewerbs-Renner die Möglichkeit zu haben, autark in die Luft zu kommen.

Wo wird sich der Ventus E preislich in euer Portfolio einsortieren?

Das können wir aktuell noch nicht genau sagen. Wir schätzen, dass der Ventus E ungefähr gleich viel kosten wird wie der Ventus 3M. Auch beim Elektrosystem ist der Bauprozess ähnlich komplex und die Komponenten sind leider teuer.

Eines ist aber klar und wir können aus Erfahrung mit unseren FES Flugzeugen sprechen: Das Elektrosystem ist weniger anfällig und die Wartungskosten halten sich entsprechend in Grenzen.

Zum Abschluss noch ein paar Fragen über die Zukunft. Bald können Discus 2c und DuoDiscus X(L) mit FES nachgerüstet werden?

Ja, das ist richtig. Tatsächlich haben wir hier einen großen Schwenk in unserer Philosophie gemacht. Lange Zeit haben wir es nicht in Betracht gezogen, Flugzeugen mit Motoren nachzurüsten, die nicht schon dafür vorbereitet waren.

Das heist diese Flugzeuge können auch ohne Motorkasten nachgerüstet werden?

In der Tat. Wir scheuen hier keinen Aufwand mehr. Mittlerweile haben wir leider realisiert, dass diese Flugzeuge nicht mehr wesentlich günstiger verkauft werden können, als unsere Modelle mit Wölbklappen. Dies ist auch der Grund, warum wir den Discus 2c vorerst aus der Produktion genommen haben. Die Formen sind zwar weiterhin vorhanden und wir könnten jederzeit wieder damit anfangen. Momentan sehen wir hier aber bedauerlicherweise keine Zukunft für neu gebaute Discen. Das finden wir wirklich schade, da wir große Freude hatten auch die Vereinslandschaft mit neuen Flugzeugen zu bedienen. Um so mehr ist es uns ein Anliegen, dass wir uns nach wie vor gut um diese Klientel kümmern und ältere Flugzeuge modernisieren. Dafür haben wir sehr viel positive Resonanz erhalten.

Wie ist das beim Duo?

Da verhält es sich etwas anders. Hier haben wir eine Menge Optionshalter, deren Interesse wir abgefragt haben. Die überwiegend positiven Rückmeldungen haben uns ermutigt, das Projekt Duo-Discus FES anzugehen. Daher werden wir dieses Flugzeug auch weiterhin produzieren. Darüber hinaus freuen wir uns darauf, ältere Duos mit FES nachzurüsten.

Übrigens bieten wir auch Modernisierung für andere Flugzeuge wie den Ventus-3T an. Der Ventus E auf dem Segelfliegertag war ursprünglich ebenfalls ein Turbo.

Bleiben wir beim Thema. DG führt erfolgreich die Neo Serie. Seht ihr ebenfalls Potential für neue Winglets, beispielsweise beim Discus?

Ja, definitiv. Das ist allerdings aktuell noch nicht spruchreif. Doch für den alten Arcus gibt es hier bereits gute Neuigkeiten: künftig wird es möglich sein, ein Facelift (neue Winglets, neues Höhenleitwerk, neue Haube) wie beim neuen Arcus 20 durchzuführen.

Wie sieht es mit einem Arcus FES aus?

Das wird technisch definitiv möglich sein. Hier fragen wir noch das Interesse bei unseren Kunden ab.

Adam Wooley hat vor der WM in Narromine ein neues Höhenleitwerk bei euch abgeholt. Bekommt der Ventus etwa auch ein Facelift? Wird er über die 18m hinauswachsen? 

Guter Versuch, doch diesen Umstand muss ich entschärfen. Das Höhenleitwerk war nicht für Adams Ventus 3, sondern für seinen alten Ventus 2a.

Die Philosophie hinter dem Ventus haben wir vorhin schon mal angeschnitten. Wir haben großen Wert auf das Handling am Boden und in der Luft gelegt. Eine Vergrößerung der Spannweite würde einen exponentiellen Anstieg der Masse bedeuten, welche dem ausgesprochen guten Handling des Ventus nicht gerecht werden würde.

Jonkers hat die JS5 gebracht. Schleicher legt mit der AS 35 nach. In welchen Bereichen denkt ihr über Neuentwicklungen nach?

Wünsche sind hier natürlich da, aber konkrete Überlegungen gibt es momentan keine. Eine neue Offene Klasse zu entwickeln wäre für uns sehr reizvoll. Jedoch halten uns primär zwei Dinge davon ab. Die Entwicklung einer Offenen Klasse ist enorm teuer, der Markt dafür allerdings ziemlich klein und das Risiko ist entsprechend hoch. Außerdem ist es aus meiner Sicht momentan völlig unklar, wo die Reise der Offenen Klasse hingeht.

Wenn wir nochmal die WM in Ungarn hernehmen war es wirklich ein Ausreißer, wenn die Offene Klasse mal 50 km mehr und 3 km/h schneller als die 18m Klasse geflogen ist. Seit vielen Jahren werden hier Gegenentwürfe für die Wettbewerbsregeln diskutiert. Wie beispielsweise eine "all day long distance task". In diesem Fall würde eine Offene Klasse ganz anders aussehen als ein "best weather window" Flugzeug.

Erkennt ihr schon Tendenzen?

Wir erkennen, dass der Einfluss der klassischen Wettbewerbe geringer wird. Vor 10 bis 15 Jahren hat jeder noch auf die großen Meisterschaften geschaut. Heute sind es eher dezentrale Plattformen, wie beispielsweise ihr. Das merken wir vor allem an unseren Kunden und welche Flugzeuge sie nachfragen.

Und das würde ich viel weniger als fatal, sondern als Chance sehen. Die dezentrale Fliegerei, aber auch neue Wettbewerbskonzepte entwickeln sich extrem dynamisch, der Spaß und das Erlebnis stehen im Vordergrund. Ich bin sicher, dass sich hieraus noch viele spannende Wettbewerbsformen entwickeln werden.

Zum Beispiel der hybride Segelflug?

Genau. Das Konzept ist bis heute in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Für viele gilt: Motor an, Flug aus. Die Idee dahinter ist aber: Motor an, Erlebnis an. Ein Elektromotor ist einfach ein Radiuserweiterer und Saisonverlängerer. Die Schwelle wird viel kleiner auch bei marginalem Wetter aufzurüsten und fliegen zu gehen und etwas zu erleben.

Auch wie man damit fliegt, muss sich noch etablieren. Im Gegensatz zum Verbrenner macht es hier durchaus Sinn, den Motor auch schon mal in 500 oder 1000 m Höhe zu starten, um einfach sicher und entspannt ins nächste Wetterfenster zu gelangen, wo ein neues Abenteuer auf einen wartet. Generell ist hier noch ein großes Umdenken erforderlich, doch wir sind überzeugt, dass noch eine Menge Leute Spaß an dieser Fliegerei finden werden.

Ist das auch eure Vision für die Zukunft?

Ja, das ist definitiv Teil davon. Generell sehen wir großes Potenzial für den Segelflug, was den Nachhaltigkeitsgedanken angeht. Segelfliegen war schon immer ein sauberer Sport und das wird sich durch die Elekrofliegerei noch steigern. Wir sind guter Hoffnung, auf diesen Zug aufspringen zu können, um die Zugangsschwelle für die große Breite tiefer zu setzen und den Sport durch unsere Flugzeuge für mehr Leute erlebbar zu machen und “Fußgänger” für unseren wunderbaren Sport begeistern zu können.

Tilo, danke für das interessante Gespräch.


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