Magazine

Schnellster Segelflieger der Welt

Wir haben einen neuen schnellsten Mann der Welt. Nicht aus Jamaika, sondern aus Argentinien. Ein paar Worte über Juan Pablo Verdura und seine Wellenfliegerei in den Anden.
Schnellster Segelflieger der Welt

Am 8. März dieses Jahrs hatte Juan Pablo etwas Großes vor. Das Ergebnis waren 1.774 km mit einer sagenhaften Geschwindigkeit von 222 km/h. Aber wie wir in diesem Interview von ihm erfahren, war der Tag geprägt von schwierigen Bedingungen und es wäre noch eine weitaus größere Strecke möglich gewesen. Ein Anlass mit dem Speed-Champion der letzten Saison über diesen Flug und den nötigen Aufwand, in einer derartig abgeschieden Region Segelflug zu betreiben, zu sprechen.

Hey Juan. Glückwunsch zu diesem tollen Flug im März. Wie bist du zum Segelfliegen gekommen?

Ich habe im Rosario Gliding Club in Santa Fe mit 16 Jahren das Segelfliegen begonnen. Ich wurde in eine Fliegerfamilie geboren, alle fliegen entweder Segel- oder Motorflugzeuge. 1998 nahm ich das erste Mal an den Argentinischen Meisterschaften teil und bin dort seitdem fast jährlich vertreten. Auch international durfte ich mein Heimatland schon bei den WGC 2014 in Rayskala und 2016 bei den WGC in Pociunai vertreten. Beruflich bin ich seit 2011 737-Captain bei der Aerolinas Argentinas.

Wir würden gerne etwas tiefer in die argentinische Segelfliegerwelt eintauchen. Wo wird dort der Segelflug am intensivsten betrieben?

Die meisten Vereine sind im Flachland aktiv. 90 % der argentinischen Pilotinnen und Piloten sind noch nie in der Nähe eines Berges geflogen. Die Infrastruktur in den dortigen Clubs ist gut. Die meisten sind in den Gebieten um Buenos Aires, Santa Fe und Cordoba. Thermisch ist es dort überall nicht schlecht, in manchen Gebieten sind die Bedingungen sogar hervorragend.

Ein interessanter Aspekt, wenn man bedenkt, dass die populärsten argentinischen Flüge in den Anden gemacht werden. Wann hast du angefangen, in den Anden Welle zu fliegen?

Mein erster Flug in den Anden war 2008. In den Folgejahren bin ich ein paar Mal auf der Chilenischen Seite im Doppelsitzer mitgeflogen. Wirklich solo war ich das erste Mal in 2016 unterwegs, als ich anfing Segelflieger mit Heimkehrhilfe zu fliegen. Die Anden zu befliegen ist unglaublich, jedoch sehe ich mich nach wie vor in den Anfängen und muss noch eine Menge über diese Gegend lernen.

Welche Möglichkeiten bieten die Anden?

Ich würde behaupten, es gibt ziemlich viele. Es gibt eine Welle, die sich entlang der gesamten Bergkette erstreckt. Zudem hat man in dessen südlichen Ausläufern die Möglichkeit, ziemlich tief in das System einzusteigen. In den Monaten zwischen Frühling und Herbst gibt es fast wöchentlich Frontdurchgänge, die hervorragende Wellen produzieren. Die größte Wahrscheinlichkeit für ausgedehnte Wellenflüge hat man im November und Dezember. In dieser Zeit hat man 15 Stunden Tageslicht zur Verfügung und es wird zudem nicht zu kalt im Flieger. Falls mal keine Wellenlage herrscht, gibt es dort auch ziemlich gute Thermik, da das Gelände zwischen Zapala und Ushuaia ziemlich trocken ist.

Abendstimmung in Patagonien 

Ist die von Wüste geprägte Landschaft eines der Gründe, warum dort so wenige Argentinier Segelflug betreiben? Was gibt es für Herausforderungen, wenn man in dieser Gegend fliegen will?

Patagonien ist eine Gegend, die nicht gerade menschenfreundlich ist. Sowohl das Klima, als auch das Terrain ist extrem. Dementsprechend wenig Flugplätze findet man dort vor, welche leider größtenteils auch noch im schlechten Zustand sind und kaum gepflegt werden. Die Asphaltpiste von Zapala ist im Vergleich noch relativ gut erhalten und die Anden beginnen nur etwa 40 km westlich von diesem Flugplatz. Meiner Meinung nach ist Zapala aus diesen Gründen die optimale Ausgangslage, um in die Anden zu fliegen, doch es gibt noch weitere Flugplätze mit Segelflugbetrieb: San Jose de Jachal, San Juan, San Martín Mendoza, Chos Malal, und Bariloche.

Außenlandemöglichkeiten gibt es kaum. Wir stützen uns hier hauptsächlich auf Straßenzüge. Abgesehen davon gibt es keine Möglichkeit zu landen, ohne den Flieger zu beschädigen. Das alles macht das Segelfliegen sehr strategisch und gepaart mit der minimalen Infrastruktur sind das wohl die Hauptgründe, warum in den Anden so wenig geflogen wird. Man muss einen guten Trainingsstand haben und gut vorbereiten sein!

Juan, wie groß ist für dich der logistische Aufwand von Zapala aus zu fliegen? Lebst du dort in der Nähe?

Das ist ein guter Punkt. Die Anstrengungen aus Zapala zu fliegen, sind für mich ziemlich hoch. Ich lebe derzeit in General Pacheco, am Rande der Stadt Buenos Aires. Mein Segelflieger ist im Zarate Glider Club stationiert, wo auch der Großteil meiner Segelfliegerei stattfindet. Von dort aus sind es 1.350 km bis nach Zapala. Insgesamt sind die Straßenverhältnisse in Ordnung, jedoch sind sie ausnahmslos zweispurig. 15 % davon sind in sehr schlechtem Zustand. Die Hälfte des Weges führt durch die Wüste, und es gibt Strecken von 200 km ohne Städte oder Tankstellen. Zusammengefasst ist es keine Spazierfahrt.

Typische Straße nach Zapala, außerdem eine Außenlandemöglichkeit 

Am Flughafen gibt es einen kleinen Hangar, der dem Aero Club Zapala gehört. Sie betreiben eine Cessna 150 und eine Cessna 182. Glücklicherweise ist der Club sehr nett zu uns Segelfliegern und erlaubt uns, die Sauerstoffausrüstung dort zu lagern und uns mit Treibstoff zu versorgen. Es gibt auch ein kleines Terminal für den kommerziellen Flugbetrieb, das Büro des Flugplatzchefs und einen alten Kontrollturm. Doch normalerweise ist der Flughafen geschlossen.

Wie bereitest du dich für solch lange Flüge wie am 8. März vor?

Das Wichtigste ist der Kampf gegen die Kälte. Warme Füße, Hände und Kopf sind einfach alles. Außerdem versuche ich ein gesundes Leben zu führen, indem ich beispielsweise Yoga praktiziere. In Bezug auf die mentale Flugvorbereitung probiere ich mir die Flüge vorzustellen, bevor ich sie durchführe. Ich versuche auch, alle ungewollten Anlässe abzudecken. Aber wie jeder Segelflieger weiß, übersteigt die Realität immer unsere Vorstellungskraft, daher ist es wichtig, während der Flüge immer konzentriert zu sein, um eventuelle Probleme erkennen und effizient lösen zu können.

Einzelkämpfer in Zapala

Der Ventus 2cxM hat einen zusätzlichen Kraftstofftank im Flügel. Die Batterien sind isoliert, um etwas länger zu halten, und ich habe auch ein Solarpanel auf den Motorabdeckungen. Ich verwende kein Wasserballast, weil ich normalerweise alleine am Flugplatz bin und es mit dem Flügel am Boden durch die Lüftungsschlitze lecken würde. Wie sich jeder denken kann, ist es schwierig, eine Crew für Unterstützung zu finden, welche sich dieser Einsamkeit in Zapala freiwillig aussetzen will. Außer fliegen gibt es dort nicht viel sinnvolles zu tun.

Dann lass uns mal über den Flug vom 8. März reden. Was war die übergeordnete Taktik von diesem Flug?

Da ich mich noch in der Lernphase befinde, lege ich meinen Fokus darauf, schneller zu fliegen. Natürlich ohne dabei mein Leben aufs Spiel zu setzen. Ich habe in den Nächten zuvor häufig die Vorhersagen überprüft und mir, wie bereits erwähnt, ein Bild meiner Route gemacht. Die Windy-Vorhersage sagte die besten Bedingungen von 10 bis 20 Uhr voraus. Der Bodenwind sollte bei 100 km/h bleiben. Also plante ich vor 10 Uhr zu starten und nach 20 Uhr zu landen.

Dein erster Aufwind sieht im Vergleich ziemlich schwach aus. Generell scheint es laut Barogram schwierig gewesen zu sein, in das System einzusteigen. Hattest du damit gerechnet?

In der Tat, der erste Aufwind war schwach. Vielleicht hätte ich den Motor etwas länger benutzen oder auf die Primärwelle zufliegen sollen. Sobald ich sicher bin, dass ich Zugang zur Welle bekomme, stelle ich den Motor normalerweise ab, um im Notfall mehr Sprit in Reserve zu haben. Der Einstieg ist wirklich immer eine Herausforderung. Es ist selten, dass die Vorhersage genau mit der Welle in geringer Höhe zusammenfällt, also muss man vorsichtig sein.

Was für ein Kampf, du hattest ja schon zwei Flugstunden hinter dir, bevor der erste Schenkel überhaupt anfing.

Ich fühlte mich mit der Höhe und dem Wind zu Beginn des Fluges nicht wohl. Weiter südlich suchte ich die Welle in einer Föhn-Lücke. Das hatte aber nicht auf Anhieb funktioniert. Bis ich dann wirklich im relevanten Steigen war, verging einige Zeit.

Auf dem ersten Schenkel in Richtung Norden, bist du etwas mehr westlich als sonst geflogen und es wurde direkt ziemlich tief. Wie bist du mit dieser Situation umgegangen? Unser Feature Landing Opportunities bietet dir den Flugplatz Loncopue an. Gab es noch weitere Opitonen?

Loncopue in Reichweite

Auf der ersten Etappe nach Norden schien alles in Ordnung zu sein, bis der gleiche Fehler passierte wie zuvor im Süden, ich suchte an der falschen Stelle. Um mehr Optionen zu haben, flog ich mit dem Wind zurück um nach gutem Steigen zu suchen. In der Tat wäre meine Alternative der Flughafen Loncopue gewesen und mit dem Flughafen Las Lajas hätte ich eine weitere Option im Süden gehabt. Die Vorhersage für dieses Gebiet war sehr gut, ich bin wohl einfach an den falschen Ort geflogen.

Wie viele Kilometer wären deiner Meinung nach ohne diese Strapazen möglich gewesen?

Ich denke 400 km mehr und somit die 2000er Marke, wären ziemlich realistisch gewesen. Das nächste Mal dann.

Der Norden sieht laut Satellitenbild komplett blau aus. Hattest du neben Skysight weitere Anzeichen von aufsteigenden Luftmassen?

Blau im Norden 

Vom Domuyo-Vulkan ab Richtung Norden war es blau. Der einzige Hinweis darauf, dass die Welle blieb, war der vom Wind aufgewirbelte Staub und der Skysight-Layer in meinem alten Oudie. Ich werde mein Oudie vermissen. Vor einiger Zeit habe ich auf das LX9000 geupgraded und die Vorhersage kann nicht ohne Internetverbindung geladen werden. Ich hoffe, dass die Freunde von LX die Möglichkeit, die Vorhersage per SD-Karte zu laden, Wirklichkeit werden lassen!

Was hat dich im Norden zu der Wende veranlasst?

Ich bin nicht weiter nach Norden gelfogen, weil es dort laut Prognose kaum noch Welle geben sollte. Außerdem war ich noch nie so weit im Norden gewesen, also bin ich auf demselben Weg geflogen. Aber es sollte erwähnt werden, dass das Gelände in dieser Gegend ziemlich beeindruckend ist, völlig trostlos und mit sehr hohen Bergen!

Was hast du aus deinen bisherigen Wellenflügen gelernt?

Nun gut, das erste Mal in Zapala war ich mit meinem vorherigen Ventus ct im Jahr 2017. Ein Freund hat mich mit einem 300 Meter langen Seil und seinem Auto geschleppt. Danach habe ich mit dem Turbo weitergemacht. Das war eindeutig eine Erfahrung, die man nicht wiederholen sollte! 2018 ging es nach Chos Malal, wo das Centro Nacional de Vuelo en Montaña ein Schleppflugzeug zur Verfügung stellt. Dies war schon mal eine viel bessere Erfahrung gewesen. 2019 bin ich schließlich auf den Ventus 2cxM umgestiegen. Im selben Jahr besuchte ich Zapala erneut und traf Klaus Ohlman, Johannes Koenig, Thomas Hortz und Dieter Memmert. Durch das Fliegen mit ihnen habe ich in sehr kurzer Zeit viel gelernt. Außerdem haben wir in der gleichen Unterkunft übernachtet. Die gemeinsamen Abende und deren Fachgespräche mit all meinen deutschen Freunden haben mir geholfen, das Fliegen hier besser zu verstehen. Ihnen gilt mein aufrichtiger Dank!

Was ist deiner Meinung nach das perfekte Segelflugzeug für solche Flüge in den Anden?

Mehrere Faktoren müssen berücksichtigt werden. Unpräparierte Landebahnen, mögliche Landungen auf Straßen, Treibstoffautonomie, Batterien, Sauerstoff, Verpflegung und Platz im Cockpit sind meiner Meinung nach die wichtigsten. Ein Zweisitzer scheint mir bequemer, da man sich den Workload teilen kann. Ich denke, dass die Stemme am besten geeignet ist. Doch natürlich wäre es schön, wenn sie bei hohen Geschwindigkeiten eine bessere Leistung hätte, vielleicht mit einem neuen Flügel und einem Heck mit weniger Widerstand.

Juan, das war sehr interessant. Was sind deine zukünftigen Pläne im Segelflug?

Ich plane, neue Fluggebiete in Argentinien zu erkunden. Es ist ein sehr großes Land mit hervorragenden Bedingungen zum Segelfliegen und mein Ziel ist es, die Fliegerei und die Landschaft zusammen mit meinen Freunden zu genießen.

Glücklicher Pilot nach einem erfolgreichen Flug